Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Bird, wenn Sie wollen, dass ich meinen Einfluss beim General für Sie geltend mache.»
«Was schlagen Sie vor?», fragte Bird ruhig.
«Ich mache keine Vorschläge, Major. Dafür bin ich nicht schlau genug. Ich bin nur ein einfacher Soldat, der an der schwarzen Mündung eines Gewehrs abgestillt worden ist.» Swynyard blies Bird ein heiseres Lachen ins Gesicht, dann zog er den wollenen Hausmantel eng vor seinem Kinn zusammen, bevor er mit unsicheren Schritten zu seinem Stuhl zurückkehrte. «Mir kommt es einzig und allein darauf an», fuhr Swynyard fort, als er sich wieder gesetzt hatte, «dass die Legion zum Kampf bereit ist und genau weiß, was kämpfen bedeutet. Wissen die Männer das, Bird?»
«Da bin ich sicher.»
«So sicher klingen Sie aber nicht, Bird. Sie klingen ganz und gar nicht sicher.» Swynyard hielt inne, um noch etwas Whiskey zu trinken. «Soldaten sind einfach Leute», fuhr er fort. «An einem Soldaten gibt es überhaupt nichts Kompliziertes, Bird. Drehen Sie einen Soldaten in die richtige Richtung, verpassen Sie ihm einen Tritt und sagen Sie ihm, dass er töten soll, das ist alles, was ein Soldat braucht, Bird! Soldaten sind nichts weiter als weiße Nigger, sage ich Ihnen, aber sogar ein Nigger arbeitet besser, wenn er weiß, warum er etwas tut. Und deshalb will ich, dass Sie heute Abend diese Broschüren an die Männer verteilen. Ich will, dass sie wissen, für welch noble Sache sie kämpfen.» Swynyard versuchte eine mit Pamphleten gefüllte Holzkiste auf den Tisch zu heben, aber das Gewicht der Kiste überforderte ihn, und so schob er sie Bird stattdessen mit dem Fuß zu.
Bird bückte sich nach einer der Broschüren, dann las er den Titel laut vor. «‹Die Niggerfrage›, von John Daniels.» Birds Stimme verriet seinen Widerwillen gegen John Daniels’ bösartige Ansichten. «Wollen Sie wirklich, dass ich den Männern das hier gebe?», fragte er.
«Das müssen Sie!», erklärte Swynyard. «Johnny ist mein Cousin, verstehen Sie, und er hat General Faulconer diese Pamphlete verkauft, damit die Männer sie lesen.»
«Wie großzügig von meinem Schwager», sagte Bird ätzend.
«Und wie nützlich diese Pamphlete sein werden.» Starbuck hatte zum ersten Mal etwas gesagt, seit sie das Zelt betreten hatten.
Swynyard starrte ihn misstrauisch an. «Nützlich?», fragte er nach langem Schweigen mit drohender Stimme.
«Die Lagerfeuer sind bei diesem feuchten Wetter unglaublich schwer anzuzünden», sagte Starbuck ausdruckslos.
Der Tic brachte Swynyards Wange zum Zucken. Er sagte eine ganze Weile gar nichts, sondern spielte nur mit seinem Messer mit dem beinernen Griff herum, während er den jungen Offizier musterte.
«Daniels ist Ihr Cousin?», brach Bird mit einem Mal das Schweigen.
«Ja.» Swynyard löste den Blick von Starbuck und legte das Messer auf den Tisch zurück.
«Und Ihr Cousin, so vermute ich», sagte Bird langsam, als ihm die Erkenntnis dämmerte, «hat den Leitartikel geschrieben, der die Armeeführung dazu aufgefordert hat, Washington Faulconer zu befördern.»
«Und was gibt es daran auszusetzen?», fragte Swynyard.
«Nichts, gar nichts», sagte Bird, obwohl er seine Belustigung kaum verbergen konnte, als ihm klarwurde, welchen Preis sein Schwager für Daniels’ Unterstützung bezahlt hatte.
«Finden Sie irgendetwas komisch?», erkundigte sich Swynyard tückisch.
Bird seufzte. «Colonel», sagte er, «wir sind heute sehr weit marschiert, und ich habe weder die Kraft noch den Wunsch, hier zu erklären, welche Dinge ich komisch finde. Haben Sie noch weitere Fragen an mich? Oder könnten Captain Starbuck und ich bald schlafen gehen?»
Swynyard starrte Bird ein paar Sekunden lang an, dann deutete er mit seiner verstümmelten Hand auf die Zeltklappe. «Gehen Sie, Major. Schicken Sie mir einen Mann für die Pamphlete. Sie bleiben hier.» Die letzten drei Worte waren an Starbuck gerichtet.
Bird rührte sich nicht. «Wenn Sie etwas mit einem meiner Offiziere zu regeln haben, Colonel», sagte er zu Swynyard, «dann haben Sie auch mit mir etwas zu regeln. Ich bleibe.»
Swynyard zuckte mit den Schultern, um zu zeigen, dass es ihn nicht kümmerte, ob Bird blieb oder ging. Dann sah er wieder Starbuck an. «Wie geht es Ihrem Vater, Starbuck?», fragte Swynyard plötzlich. «Predigt immer noch brüderliche Liebe für die Nigger, was? Erwartet er immer noch, dass wir unsere Töchter mit den Söhnen Afrikas verheiraten?» Er hielt inne und wartete auf Starbucks Reaktion. Eine der
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