Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Laternen begann zu flackern, dann richtete sich die Flamme wieder auf. Aus der regnerischen Dunkelheit klang der Gesang von Männern herein. «Nun, Starbuck?», drängte Swynyard. «Will Ihr Vater immer noch, dass wir unsere Töchter den Niggern geben?»
«Mein Vater hat nie die Ehe zwischen den Rassen gepredigt», sagte Starbuck milde. Er mochte seinen Vater nicht, aber angesichts von Swynyards Spott fühlte er sich aufgefordert, Reverend Elial zu verteidigen.
Wieder ließ der Tic Swynyards Wange zucken, dann schnellte seine verwundete linke Hand vor, um auf die beiden Sterne auf dem Kragen seiner nagelneuen Uniformjacke zu deuten, die an einem Nagel in einem der Zeltpfosten hing. «Was bedeutet dieses Rangabzeichen, Starbuck?»
«Ich glaube, es bedeutet, dass die Jacke einem Lieutenant Colonel gehört», sagte Starbuck.
«Sie gehört mir!» Swynyard hatte die Stimme gehoben.
Starbuck zuckte mit den Schultern, als sei es nicht erheblich, wem die Jacke gehörte.
«Und ich habe einen höheren Rang als Sie!», brüllte Swynyard und sprühte einen Nebel aus Spucke und Tabakssaft über die Reste seiner Kohlkartoffeln. «Also nennen Sie mich Sir! Auf der Stelle!»
Starbuck schwieg. Der Colonel sah ihn böse an, seine verstümmelte Hand fuhr über die Tischkante. Die Stille dehnte sich aus. Der Gesang aus der Dunkelheit hatte aufgehört, als die Männer gehört hatten, dass der Colonel Starbuck anbrüllte, und Major Bird schätzte, dass die halbe Legion den Streit belauschte, der sich in dem gelblich erhellten Zelt abspielte.
Colonel Swynyard war sich dieses schweigenden, unsichtbaren Publikums nicht bewusst. Er verlor die Beherrschung, ließ sich dazu von dem amüsierten Ausdruck auf Starbucks gutaussehendem Gesicht provozieren. Unvermittelt schnappte sich der Colonel eine Reitpeitsche mit kurzem Griff, die auf seinem Feldbett gelegen hatte, und ließ die geflochtene Schnur in Richtung des Bostoners schnalzen. «Sie sind ein Nordstaatenbastard, Starbuck, ein Niggerfreund und ein dreckiges Stück Republikanerabschaum, und in dieser Brigade ist kein Platz für Sie.» Der Colonel sprang auf und ließ die Peitsche noch einmal knallen, dieses Mal zischte die Schnur nur ein paar Fingerbreit an Starbucks Wange vorbei. «Sie sind hiermit aus dem Regiment entlassen, jetzt und für immer, haben Sie gehört? Das sind die Befehle des Brigadegenerals, mit Brief und Siegel, und mir zur Ausführung übergeben.» Swynyard wühlte mit der Linken in den Papieren auf seinem Klapptisch, doch er fand den Entlassungsbefehl nicht und gab die Suche auf. «Sie werden sich jetzt entfernen, augenblicklich!» Zum dritten Mal ließ Swynyard die Peitsche in Starbucks Richtung knallen. «Raus!»
Starbuck fing die Peitschenschnur. Er hatte nur vorgehabt, den Schlag abzuwehren, doch als sich die Peitschenschnur um seine Hand wickelte, bot sich eine boshaftere Reaktion an. Er lächelte schief, dann zog er, und damit brachte er Swynyard aus dem Gleichgewicht. Der Colonel klammerte sich hilfesuchend an den Tisch, da zog Starbuck fester, und der Klapptisch brach unter Swynyards Gewicht zusammen. Der Colonel fiel der Länge nach in ein Durcheinander aus splitterndem Holz und verschüttetem Kohl auf den Boden. «Wache!», schrie Swynyard beim Fallen. «Wache!»
Ein verwirrter Sergeant Tolliver aus der Kompanie A streckte seinen Kopf zwischen den Zeltklappen herein. «Sir?» Er sah auf den Colonel hinunter, der mitten in den Überresten des zerbrochenen Feldtisches lag, dann warf er Bird einen verzweifelten Blick zu. «Was soll ich machen, Sir?», erkundigte sich Tolliver bei Bird.
Swynyard kämpfte sich auf die Füße. «Sie werden dieses Stück Nordstaatendreck verhaften», brüllte er Tolliver an, «und Sie werden ihn an die Militärpolizei ausliefern, mit dem Befehl, dass er nach Richmond gebracht und dort als Staatsfeind eingesperrt wird. Haben Sie verstanden?»
Tolliver zögerte.
«Haben Sie mich verstanden?», schrie Swynyard den unglückseligen Sergeant an.
«Er versteht Sie», schaltete sich Bird ein.
«Sie sind aus der Armee entlassen», brüllte Swynyard Starbuck ins Gesicht. «Ihr Dienst ist beendet, es ist vorbei mit Ihnen, Sie sind entlassen!» Speichel landete auf Starbucks Wange. Die Selbstbeherrschung des Colonels war nun vollends dahin, aufgelöst vom Alkohol und von Starbucks raffinierter Anstachelung. Swynyard sah aus, als wolle er sich auf Starbuck stürzen, dann fummelte er plötzlich an dem Riemen seines Pistolenhalfters,
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