Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Männer davon, dass diese Auseinandersetzung nicht durch einen Appell an Swynyards Gerechtigkeitsempfinden gewonnen werden könne. Ned Hunt, der sich als Witzbold der Truppe ansah, wollte die Radspeichen von Swynyards Fuhrwagen zersägen oder das Zelt des Colonels niederbrennen, doch Bird wollte keinen derartigen Unsinn zulassen und stellte deshalb sogar eine Wache am Zelt des Colonels auf. Das Wichtigste war nun, betonte Bird, Starbuck so weit wegzubringen, dass er vor Swynyards Niedertracht sicher war.
«Was hast du jetzt vor?», erkundigte sich Truslow bei Starbuck, während Captain Murphy zwei Pferde sattelte.
«Feststellen, ob mir Adam helfen kann.»
«In Richmond? Dann siehst du meine Sally, oder?», fragte Truslow.
«Ich hoffe es.» Trotz der Katastrophe keimte Vorfreude in Starbuck auf.
«Erzähl ihr, dass ich an sie denke», sagte Truslow schroff. Das war wohl das größte Eingeständnis von Liebe und Vergebung, dessen er fähig war. «Wenn sie irgendetwas braucht», fuhr Truslow fort, dann zuckte er mit den Schultern, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass es seiner Tochter an Geld fehlte. «Ich wünschte», fing Truslow an, verfiel aber gleich wieder in Schweigen, und Starbuck ging davon aus, dass der Sergeant wünschte, sein einziges Kind würde sein Geld nicht als Hure verdienen, aber dann überraschte ihn Truslow. «Du und sie», erklärte er, «das würde ich gerne sehen.»
Starbuck errötete im Dunkeln. «Ihre Sally braucht jemanden mit besseren Zukunftsaussichten, als ich sie habe», sagte er.
«Sie könnte es viel schlechter treffen», sagte Truslow loyal.
«Ich wüsste nicht wie.» Starbuck ließ sich wieder von seinem Selbstmitleid überwältigen. «Ich habe keine Heimat, kein Geld und keine Arbeit.»
«Aber nicht für lange», sagte Truslow. «Du lässt dich doch nicht von diesem Hundesohn Faulconer unterkriegen, oder?»
«Nein», sagte Starbuck, obwohl er in Wahrheit glaubte, dass er schon längst am Ende war. Er war ein Fremder in einem fremden Land, und seine Gegner waren vermögend, einflussreich und unversöhnlich.
«Also kommst du zurück», sagte Truslow. «Und bis dahin sorge ich selbst dafür, dass die Kompanie in Form bleibt.»
«Sie brauchen mich doch gar nicht bei der Kompanie», sagte Starbuck. «Sie haben mich noch nie gebraucht.»
«Du bist ein Narr, Junge», knurrte Truslow. «Ich hab nicht deinen scharfen Verstand, und du bist ein Narr, wenn du das nicht siehst.» Die Kinnkette einer Kandare klirrte, als Captain Murphy zwei gesattelte Pferde durch den Regen heranführte. «Verabschiede dich», befahl Truslow an Starbuck gewandt. «Und versprich den Jungs, dass du zurückkommst. Sie brauchen dieses Versprechen.»
Starbuck verabschiedete sich. Die Männer der Kompanie besaßen nur das, was sie tragen konnten, und trotzdem versuchten sie, Starbuck Geschenke aufzudrängen. George Finney hatte bei Ball’s Bluff einen silbernen Phi-Beta-Kappa-Schlüssel von der Uhrkette eines toten Offiziers erbeutet und wollte Starbuck den Anhänger geben. Starbuck lehnte ab, genau wie er kein Geld von Sergeant Huttons Abteilung annehmen wollte. Er nahm nur seinen Urlaubsschein, und dann schnallte er seine Decke hinter dem Sattel seines geliehenen Pferdes fest. Er legte sich Oliver Wendell Holmes’ scharlachrot gefütterten Uniformmantel um die Schultern und zog sich aufs Pferd. «Wir sehen uns bald wieder», sagte er, als würde er es glauben, und dann drückte er dem Pferd die Fersen in die Flanken, damit niemand aus der Legion sah, dass er kurz vorm Verzweifeln war.
Starbuck und Murphy ritten in die Nacht. Sie kamen an Colonel Swynyards dunklem Zelt vorbei, in dem sich nichts rührte. Die drei Sklaven des Colonels kauerten unter dem Fuhrwerk und beobachteten, wie die beiden Reiter im schwarzen Regen verschwanden. Dann verloren sich auch die Hufschläge in der Dunkelheit.
Als es hell wurde, regnete es immer noch. Bird hatte schlecht geschlafen und fühlte sich alt, als er aus seinem mit Grassoden bedeckten Unterschlupf kroch und versuchte, sich die Knochen an einem schwächlichen Feuer aufzuwärmen. Wie er bemerkte, war das Zelt Colonel Swynyards schon abgeschlagen worden, und die drei Sklaven verzurrten die Ladung auf dem Fuhrwerk des Colonels, das zur Abfahrt nach Fredericksburg bereit war. Eine halbe Meile weiter nördlich, auf dem Bergrücken, beobachteten zwei Yankee-Reiter das Rebellenlager durch den Regen. Hiram Ketley, Birds schwachsinnige, aber gutwillige Ordonnanz,
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