Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
— und er spürte, wie Thad Beaumont Hunderte von Meilen weiter nördlich, einen Berol Black Beauty-Bleistift herumschwang und in seine linke Hand bohrte.
    Das war der Augenblick, in dem er - in dem sie beide - wirklich aufwachten.
    Doch dann schob er diese Gedanken beiseite. Er wollte Beaumonts Tod nicht.
    Zumindest jetzt noch nicht.
    Nicht, bevor Beaumont ihn gelehrt hatte, wie er von sich aus schreiben konnte.
    Langsam entspannte Stark seine Faust, und als er es tat, spürte er, daß die Faust, in der er Beaumonts innerstes Wesen hielt - die geistige Faust, die sich als ebenso schnell und gnadenlos erwiesen hatte wie die (körperliche-, gleichfalls offen war. Er spürte, wie Beaumont, die fette (weiße Made, stöhnend und winselnd entschwand.

    »Nur für diesmal«, flüsterte er und wendete sich dann der anderen (erforderlichen Sache zu. Er schloß die linke Hand um den aus seiner [rechten herausragenden Kugelschreiber. Er zog ihn heraus. Dann warf er ihn in den Abfalleimer.

1
    Auf dem Abflußbrett neben dem Ausguß stand eine Flasche Glenlivit. Stark nahm sie und ging ins Badezimmer. Seine rechte Hand hing herunter und ließ pfenniggroße Blutstropfen auf das rissige und verblichene Linoleum fallen. Das Loch in seiner Hand befand sich etwa anderthalb Zentimeter unterhalb der Fingerknöchel, etwas rechts vom Knöchel des Mittelfingers. Es war vollkommen rund. Die Tintenspuren San den Wundrändern und die innere Blutung ließen es wie eine Schußwunde aussehen. Er versuchte, die Hand zu beugen. Die Finger bewegten sich - aber die übelkeiterregende Welle von Schmerz, die darauf | folgte, war für weitere Experimente zu heftig.
    Er zog an der von der Lampenfassung über dem Spiegelschränkchen l herabhängenden Kette, und die nackte Sechzig-Watt-Birne flammte auf. Er klemmte die Whiskeyflasche unter den rechten Arm, so daß er sie mit der linken Hand aufschrauben konnte, und hielt dann die verletzte Hand ausgebreitet über das Waschbecken. Tat Beaumont in Maine dasselbe? Er bezweifelte es. Beaumont hatte nicht den Mumm, dergleichen selbst zu unternehmen. Bestimmt war er schon unterwegs zum nächsten Krankenhaus.
    Stark goß Whiskey über die Wunde, und ein Bolzen aus stahlhartem Schmerz schoß bis zur Schulter hinauf durch seinen Arm. Er sah, wie der Whiskey in der Wunde brodelte, sah kleine Blutfäden in der gelben Flüssigkeit und mußte das Gesicht wieder gegen den durchgeschwitzten Ärmel seines T-Shirts drücken.
    Er glaubte, der Schmerz würde überhaupt nicht nachlassen, aber schließlich tat er es doch.
    Er versuchte, die Whiskeyflasche auf das unter dem Spiegelschränkchen an die Fliesen geschraubte Bord zu stellen. Seine Hand zitterte so sehr, daß dieses Vorhaben kaum Aussicht auf Erfolg hatte, deshalb stel te er sie statt dessen auf den rostfleckigen Blechboden der Duschkabine. Er würde gleich einen Drink brauchen.
    Er hob die Hand vors Licht und schaute in das Loch hinein. Er konnte durch sie hindurch die Glühbirne sehen, aber undeutlich - es war, als schaute man durch einen von irgendeinem Überzug getrübten Rotfilter. Also hatte er den Kugelschreiber nicht ganz durch die Hand hindurchgetrieben, aber er war verdammt nahe daran gewesen. Vielleicht war es Beaumont besser gelungen.
    Er konnte es zumindest hoffen.
    Er hielt die Hand unter den Kaltwasserhahn, spreizte die Finger, um das Loch so weit wie möglich zu öffnen, und wappnete sich dann gegen den Schmerz. Zuerst war er schlimm - er mußte einen weiteren Aufschrei durch die Zähne ausstoßen, die aufeinander gebissen waren, und durch zu einem schmalen weißen Strich zusammengepreßte Lippen-, aber dann wurde die Hand taub, und es wurde besser. Er zwang sich, sie vol e drei Minuten unter den Wasserhahn zu halten. Dann drehte er den Hahn zu und hielt die Hand wieder vors Licht.
    Die Glühbirne leuchtete noch durch das Loch, aber jetzt trüber und schwächer. Die Wunde schloß sich. Sein Körper schien über erstaunliche Regenerationskräfte zu verfügen, und das war merkwürdig, denn gleichzeitig zerfiel er. Verliere den Zusammenhalt, hatte er geschrieben. Und das kam der Sache ziemlich nahe.
    Ungefähr dreißig Sekunden oder mehr fixierte er sein Gesicht in dem leicht verzerrenden, fleckigen Spiegel des Schränkchens, dann gab er sich einen Ruck, um wieder zu vol em Bewußtsein zu kommen. Immer, wenn er sein Gesicht betrachtete, so bekannt und vertraut und dennoch so neu und fremdartig, hatte er das Gefühl, in Trance zu versinken. Er war sich

Weitere Kostenlose Bücher