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Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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deren stille, trübe Oberfläche vom runden weißen Mond einer nahen Straßenlaterne erhellt wurde, war er zufrieden gewesen. Es war genau das Gesicht, das er in den Träumen während seiner Gefangenschaft in den Verliesen von Beaumonts Imagination gesehen hatte. Er hatte einen durchschnittlich gut aussehenden Mann gesehen, dessen Züge ein wenig zu breit waren, um viel Aufmerksamkeit zu erregen. Wäre die Stirn nicht ganz so hoch gewesen, hätten die Augen nicht ganz so weit auseinandergestanden, so wäre es vielleicht ein Gesicht gewesen, nach dem sich die Frauen umdrehten, um noch einen zweiten Blick darauf zu werfen. Ein völlig nichtssagendes Gesicht (wenn es so etwas überhaupt gibt) kann Aufmerksamkeit auf sich lenken, weil nichts da ist, kein Zug, der den Blick auf sich zieht, bevor das Auge weiterwandert; absolute Gewöhnlichkeit kann das Auge beunruhigen, es zum nochmaligen Hinschauen veranlassen. Dem Gesicht, das Stark in der Schlammpfütze sah, fehlte dieses Ausmaß an Gewöhnlichkeit, was sehr beruhigend war. Er hatte es für ein ideales Gesicht gehalten, ein Gesicht, das niemand würde beschreiben können. Blaue Augen, sonnengebräunte Haut, die vielleicht in Verbindung mit blondem Haar ein wenig merkwürdig wirkte - und damit hatte es sich; der Zeuge würde gezwungen sein, sich den breiten Schultern zuzuwenden, die wirklich das Auffallendste an ihm waren - und in der Welt wimmelte es von breitschultrigen Männern.
    Doch jetzt war alles anders. Jetzt war sein Gesicht entschieden merkwürdig geworden - und wenn er nicht bald wieder mit dem Schreiben anfing, würde es immer merkwürdiger werden. Es würde grotesk werden.
    Verliere den Zusammenhalt, dachte er abermals. Aber du wirst dem einen Riegel vorschieben, Thad. Wenn du mit dem Buch über den gepanzerten Wagen anfängst, dann wird sich das, was mit mir vor sich geht, umkehren.
    Ich habe keine Ahnung, woher ich das weiß, aber ich weiß es.
    Es war zwei Wochen her, seit er sich zum erstenmal gesehen hatte, und seither hatte eine beträchtliche Degeneration stattgefunden.

    Anfangs war sie fast unmerklich gewesen, so unmerklich, daß er sich hatte einreden können, es wäre nichts als Einbildung; doch als sich die Entwicklung beschleunigte, war diese Ansicht immer unhaltbarer geworden.
    Zwei Fotos, damals und jetzt aufgenommen, hätten einen Betrachter glauben lassen, das Gesicht eines Mannes zu sehen, der irgendeiner unheimlichen Strahlung oder einer ätzenden Chemikalie ausgesetzt war. George Stark schien unter einer Art von Gewebsauflösung zu leiden.
    Die Krähenfüße um die Augen herum, die er in der Schlammpfütze gesehen hatte, waren jetzt tiefe Falten.
    Seine Lider hingen herunter und waren rauh wie Krokodilhaut. Seine Wangen begannen ein ähnlich faltiges und rissiges Aussehen anzunehmen. Die Augenränder hatten sich gerötet, was den Eindruck eines Mannes erweckte, der nicht wußte, daß es höchste Zeit war, die Nase aus der Flasche zu nehmen. Von den Mundwinkeln bis zu den Seiten der Kiefer hatten sich tiefe Furchen ins Fleisch seines Gesichtes gegraben, was seinen Mund aussehen ließ wie den der Puppe eines Bauchredners. Sein blondes Haar, von Anfang an sehr fein, war noch feiner geworden; es war von den Schläfen zurückgewichen und ließ die rosa Haut seines Schädels durchscheinen. Auf seinen Handrücken waren Leberflecke erschienen.
    All das hätte er hinnehmen können, ohne zu Make-up greifen zu müssen. Schließlich sah er nur alt aus, und daran war kaum etwas Bemerkenswertes. Von seiner Kraft hatte er offensichtlich nichts eingebüßt. Zudem war da die unerschütterliche Gewißheit, daß sich der Prozeß umkehren würde, sobald er und Beaumont zu schreiben anfingen - als George Stark zu schreiben anfingen.
    Aber jetzt fielen ihm Zähne aus. Und außerdem waren da die Geschwüre.
    Das erste hatte er vor drei Tagen an der Innenseite seines rechten Ellenbogens bemerkt - ein roter Fleck mit einem Saum von toter weißer Haut. Es war die Art von Hautveränderung, wie sie bei Pellagra auftritt, einer Krankheit, die im tiefen Süden noch in den sechziger Jahren grassierte. Vorgestern hatte er einen weiteren entdeckt, diesmal an seinem Hals unterhalb des linken Ohrläppchens. Gestern zwei weitere, einen zwischen den Brustwarzen, den anderen unterhalb des Nabels.
    Heute war die erste Stelle in seinem Gesicht erschienen, an der rechten Schläfe.
    Die Stellen schmerzten nicht. Da war nur ein dumpfes, tiefsitzendes Jucken, aber das war alles -

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