Stark (Dark Half)
sie begriff, warum es so wichtig für ihn war, daß Thad wieder zu schreiben begann.
»Du bist ein Vampir«, sagte sie heiser. »Ein gottverdammter Vampir. Und er hat dich auf Diät gesetzt. Also brichst du hier ein. Terrorisierst mich und bedrohst meine Kinder. Du bist ein gottverdammter Feigling, George Stark.«
Er gab sie frei und zog zuerst den linken und dann den rechten Handschuh wieder straff und glatt - ein pedantischer und gleichzeitig seltsam unheildrohender Akt.
»Ich finde, das ist unfair, Beth. Was würdest du tun, wenn du in meiner Lage wärest? Wenn du zum Beispiel auf einer Insel gestrandet wärest, ohne etwas zum Essen oder Trinken zu haben? Würdest du hinsinken und hübsche Seufzer ausstoßen? Oder würdest du kämpfen? Willst du mir wirklich vorwerfen, daß ich etwas so Simples verlange wie Überleben?«
»Ja!« Sie spie ihm das Wort entgegen.
»Gesprochen wie eine treue Parteigängerin - aber du wirst deine Ansicht möglicherweise ändern. Der Preis für Parteigängerschaft könnte höher werden, als dir jetzt klar ist, Beth. Wenn die Opposition schlau und zielstrebig ist, kann er sogar sehr hoch werden. Es kann durchaus sein, daß du für unsere Zusammenarbeit mehr Begeisterung aufbringen wirst, als du es je für möglich gehalten hättest.«
»Träum ruhig weiter, du Scheißkerl!«
Die rechte Seite seines Mundes hob sich, die ewig grinsende linke Seite ruckte ein Stückchen höher, und er bedachte sie mit einem Lächeln, von dem sie vermutete, daß es gewinnend sein sol te. Seine Hand, widerwärtig kalt unter dem dünnen Handschuh, glitt liebkosend über ihren Unterarm.
Ein Finger drückte vielsagend in ihre linke Handfläche und wurde dann zurückgezogen. »Das ist kein Traum, Beth - das kann ich dir versichern. Thad und ich, wir werden gemeinsam an einem neuen Stark-Roman arbeiten - eine Weile. Anders ausgedrückt - Thad wird mir einen Schubs geben. Ich bin wie ein liegengebliebenes Auto, nur daß es sich bei mir nicht um Wasser im Vergaser handelt, sondern um einen harmlosen Fall von Schreibblockierung. Das ist alles. Und soweit ich es beurteilen kann, ist das mein einziges Problem. Sobald ich wieder ins Rollen gekommen bin, lege ich den zweiten Gang ein, lasse die Kupplung los — und ab geht's!«
»Du bist verrückt«, flüsterte sie.
»Ja, das kann schon sein. Aber das war Tolstoi auch. Und Richard Nixon, und den haben sie zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. « Stark drehte den Kopf und schaute aus dem Fenster. Liz hörte nichts, aber er schien plötzlich ganz konzentriert zu lauschen, angestrengt bemüht, einen schwachen, fast unhörbaren Laut wahrzunehmen.
»Was hast du . . .« setzte sie an.
»Halt die Klappe«, befahl Stark.
Ganz schwach hörte sie, wie ein Schwärm Vögel sich in die Luft schwang. Das Geräusch war unvorstellbar leise, unvorstellbar schön. Unvorstel bar frei.
Sie stand da und musterte ihn, mit viel zu schnell pochendem Herzen, überlegte, wie sie ihm entkommen konnte. Er war nicht direkt in Trance, aber seine Aufmerksamkeit war eindeutig abgelenkt. Vielleicht konnte sie zu den Polizisten hinauslaufen. Sie wußte, daß er sie verletzt haben mußte, wußte, daß er es vermutlich nicht dabei belassen hatte, aber selbst wenn sie tot waren, hatten sie wahrscheinlich noch ihre Waffen. Wenn sie an einen Revolver kommen konnte...
Seine widerliche Hand packte wieder eines ihrer Handgelenke.
»Ich kann in deinen Mann hineinschlüpfen und aus ihm herausschauen. Ich kann fühlen, was er denkt. Bei dir kann ich das nicht, aber ich kann dir ins Gesicht sehen und ziemlich exakte Vermutungen anstel en. Was du jetzt auch denken magst, Beth - vergiß dabei deine Kinder nicht. Der Gedanke an deine Kinder wird dir helfen, die Sachlage richtig zu beurteilen.«
»Warum nennst du mich immer so?« fauchte sie ihn an.
»Wie? Beth?« Er lachte. Es war ein unangenehmes Geräusch, als steckte Kies in seiner Kehle. »So würde er dich auch nennen, wenn er Grips genug hätte, auf die Idee zu kommen.«
»Du bist ver. . .«
»Verrückt, ich weiß. Das ist reizend, Liebling, aber wir müssen unsere Erörterung meines Geisteszustandes auf später verschieben. Im Augenblick tut sich zu vieles. Hör zu: ich muß Thad anrufen, aber nicht in seinem Büro. Sein Telefon könnte angezapft sein. Er vermutet, daß das nicht der Fal ist, aber die Bul en haben es viel eicht ohne sein Wissen getan. Dein Mann ist entschieden zu vertrauensselig, Beth. Ich bin es nicht.«
»Wie
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