Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
seine Stelle trat ein gequälter Ausdruck. »Es tut mir leid. Das war unfair.«
    »Warum?« fragte er düster. »So ist es doch gewesen. Eine Zeitlang.« Er kehrte ans Waschbecken zurück und benutzte das Mundwasser, um den Rest der Zahnpasta fortzuspülen. Das Mundwasser war alkoholfrei. Wie der Hustensaft. Wie der Vanilleersatz im Küchenschrank. Er hatte keinen Alkohol mehr getrunken, seit er den letzten Stark-Roman beendet hatte.
    Ihre Hand legte sich leicht auf seine Schulter. »Thad - wir sind wütend. Dabei tun wir uns gegenseitig weh, und es hilft uns nicht weiter. Du hast gesagt, dort draußen könnte ein Mann sein - ein Psychopath -, der glaubt, er wäre George Stark. Er hat zwei Menschen ermordet, die wir kannten. Einer von ihnen war weitgehend dafür verantwortlich, dass das Stark-Pseudonym gelüftet wurde. Da muss dir doch der Gedanke gekommen sein, dass du selbst hoch oben auf der Liste der Feinde dieses Mannes stehen könntest. Trotzdem hast du etwas verschwiegen. Wie lautete dieser Satz?«
    »Die Sperlinge fliegen wieder«, sagte Thad. Er betrachtete sein Gesicht in dem grellen Licht, das die Leuchtstoffröhre auf den Badezimmerspiegel warf. Dasselbe alte Gesicht. Vielleicht ein paar Schatten unter den Augen, aber trotzdem noch dasselbe alte Gesicht. Darüber war er froh. Es war nicht das Gesicht eines Filmstars, aber es war seines.
    »Ja. Und für dich hatte es eine Bedeutung. Welche?«
    Er schaltete das Licht aus und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie gingen zum Bett und legten sich hin.
    »Als ich elf Jahre alt war«, sagte er, »hatte ich eine Operation. Sie diente dazu, einen kleinen Tumor aus dem Stirnlappen - ich glaube, es war der Stirnlappen - meines Gehirns zu entfernen. Das ist dir bekannt. «
    »Ja.« Sie schaute ihn verblüfft an.
    »Ich habe dir auch erzählt, dass ich Kopfschmerzen hatte, bevor der Tumor erkannt wurde, richtig?«
    »Richtig.«
    Er begann, gedankenverloren ihre Oberschenkel zu streicheln. Sie hatte herrliche lange Beine, und ihr Nachthemd war wirklich sehr kurz.
    »Habe ich dir auch von den Geräuschen erzählt?«
    »Von Geräuschen?« Ihre Verblüffung wuchs.
    »Ich glaube nicht — aber, siehst du, ich habe sie nie für wichtig gehalten. All das ist schon vor so langer Zeit passiert. Menschen mit Gehirntumoren haben oft Kopfschmerzen, manchmal haben sie Krampfanfälle, manchmal beides. Und diese Symptome haben relativ oft ihre eigenen Symptome. Man nennt sie sensorische Vorboten. In den meisten Fällen sind es Gerüche — Bleistiftspäne, frisch geschnittene Zwiebeln, faules Obst.
    Mein sensorischer Vorbote war ein Geräusch. Es waren Vögel.«
    Er schaute ihr ins Gesicht. Ihre Nasen berührten sich fast, und er spürte, wie ihn eine verirrte Strähne ihres Haares an der Stirn kitzelte.
    »Sperlinge, um genau zu sein.«
    Er setzte sich auf, weil er den schockierten Ausdruck, der plötzlich auf ihrem Gesicht erschienen war, nicht sehen wollte.
    »Komm mit.«
    »Wohin?«
    »In mein Arbeitszimmer«, sagte er. »Ich will dir etwas zeigen.«

1
    Thads Arbeitszimmer wurde von einem riesigen Eichenschreibtisch beherrscht. Er war weder modisch antik noch modisch modern, sondern einfach ein überaus großes, überaus praktisches Möbelstück, das wie ein Dinosaurier unter drei Kugelleuchten stand. Das Licht, das sie auf die Arbeitsplatte warfen, war fast grell. Von der Arbeitsplatte war nur sehr wenig zu sehen; Manuskripte, Briefe, Bücher und Korrekturfahnen bedeckten sie fast völlig. An der weißen Wand hinter dem Schreibtisch hing ein Poster. Es zeigte das Gebäude, das Thad von allen in der Welt am besten gefiel: das Flatiron Building in New York, dessen Form ihn immer wieder entzückte.
    Neben der Schreibmaschine lag das Manuskript seines neuen Romans, The Golden Dog, und auf der Schreibmaschine das, was er an diesem Tag geschrieben hatte. Sechs Seiten. Das war sein übliches Pensum -
    wenn er unter eigenem Namen schrieb. Als Stark hatte er gewöhnlich acht geschafft, manchmal sogar zehn.
    »Damit war ich beschäftigt, bevor Pangborn auftauchte«, sagte er, nahm die Seiten von der Schreibmaschine und gab sie ihr. »Dann kam das Geräusch - das Geräusch der Sperlinge. Zum zweiten Mal an diesem Tag, nur dass es diesmal viel intensiver war. Siehst du, was auf dem obersten Blatt steht?«
    Sie betrachtete es eine ganze Weile, und er konnte nur ihr Haar und die Oberseite ihres Kopfes sehen. Als sie den Blick wieder auf ihn richtete, war aus ihrem Gesicht alle Farbe

Weitere Kostenlose Bücher