Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Starke Frau, was nun?

Starke Frau, was nun?

Titel: Starke Frau, was nun? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
Vom Netzwerk:
so natürlichen Steine unter ihren nackten Sohlen und überlegt ganz nebenbei immer noch, was sie jetzt tun soll.
    Nun, eine Antwort auf diese spezielle Frage stellt sich nicht ein. Dennoch macht sie sich mitsamt Marlene wenig später auf den Weg. Sie kann ja unmöglich die ganze Nacht hier herumstehen.
    Vielleicht liegt es am Alkohol, möglicherweise auch daran, dass dessen Wirkung an der frischen Luft akut nachlässt, doch mit jedem Schritt, den sie sich auf nackten, verstümmelten Sohlen die nächtliche Berliner Straße entlangwagt, wird ihr grauenhafter bewusst, dass sie hoffnungslos in der Falle sitzt.
    Wohin soll sie gehen? Zu Robert? Sie lacht ziemlich laut (klingt in den Straßen leicht irre – ist ihr aber egal), als sie sich vorstellt, ihren Ex-Beinahe-Ehemann und den Storch dabei zu überraschen, wie der dem gefiederten Vieh soeben einen Schokopudding zubereitet ... mit Nüssen!
    Vielleicht nicht übel diese Konstellation, dann nimmt Rebecca zu, ist irgendwann kein Storch mehr … und Robert dürfte glücklich werden. Einen sehr anspruchsvollen Eindruck hatte Lisa von ihrer Beinahe-Freundin, die diesen Status niemals erreichen wird, nie. Sie wünscht den beiden wirklich und von (fast) ganzem Herzen viel Glück, verzichtet aber ebenfalls aus tiefster Seele auf den Anblick.
    Doch wohin dann? Zu Hans und Mechthild? Bähhm – die nächste Niete, denn zu ihren Eltern will sie ebenfalls ums Verrecken nicht gehen. Jedenfalls nicht, wenn sie sich nicht die halbe Nacht Belehrungen anhören will.
    Je länger Lisa nachdenkt, desto langsamer läuft sie, schon wegen ihrer völlig versauten Füße, doch auch, weil sie noch immer kein Ziel hat.
    »Toll!«, grummelt sie, als ihr auffällt, dass bis vor wenigen Stunden so etwas unmöglich war. Wenigstens wusste sie immer, wohin sie gehen konnte. Er ist sauer, schon klar, trotzdem wäre sie in einer derart niederschmetternden Krisensituation schon zu ihm geflüchtet … schließlich befindet sie sich in Not und er ist ihr Macho-Ritter-Retter … irgendwie.
    Ein Stein, der sich boshaft in ihre verunstaltete linke Fußsohle bohrt, lässt sie laut fluchen, stehenbleiben und behutsam eine der besonders blutigen Blutblasen betasten.
    »AH!« Das kommt diesmal sogar ziemlich laut. Verdammt noch mal, sie ist ernsthaft verletzt und ganz allein! Das geht doch nicht!
    Na ja, geht doch, denn trotz Alarmruf stellt sich immer noch niemand ein, der sie gefälligst mal rettet oder so, und ihr bleibt nichts anderes übrig, als irgendwann weiterzulaufen. Wenn Schmutz in die Wunde kommt, wird sie eine Blutvergiftung bekommen und elendig zugrunde gehen!
    Ha!
    Und warum?
    Weil der Supermacho einfach abgehauen ist! Woher hätte sie es denn wissen sollen, verflucht? Wenn es ihm diesbezüglich besser gegangen ist – woran sie nicht glaubt, was aber alle anderen denken –, dann hätte er sie doch erleuchten können, oder?
    Das ist wirklich nicht fair.
    Nein! Heftig schüttelt sie den Kopf.
    Es ist nicht fair!
    * * *
    Am Ende strandet die neuerdings obdachlose Lisa am Spree-Ufer.
    Offensichtlich ist das wohl ihre neue Wohnung. Achtlos lässt sie Marlene neben sich ins Gras fallen; ihre Schultern schmerzen, weil sie das Rad die verdammte Treppe hinuntertragen musste und außerdem ist ihr schönes Kostüm jetzt hinüber.
    Ein herber Verlust, schließlich wollte sie es eigentlich mal ihren Enkeln zeigen. Ach nein, wollte sie nicht, weil die erforderlichen Kinder ja nie kommen sollen und sie zudem ja überhaupt nicht verheiratet ist.
    Verwirrt starrt sie vor sich hin.
    Dennoch!, konstatiert sie schließlich. Es geht ums Prinzip, und prinzipiell gesehen, trägt sie nun mal soeben ein Hochzeitskleid und …
    Nun ja …
    Auf diese Art lenkt sie sich noch eine gute Weile erfolgreich ab. Das schweigende Brüllen ihrer Füße ebbt langsam ab; besonders entspannend – weil schmerzfrei – wird es, nachdem sie die Gliedmaßen in das verunreinigte Gewässer getaucht hat. Sie schwört, ein echt lautes Zischen ausgemacht zu haben. Wenn Blutvergiftung, dann wenigstens ohne Qualen.
    Der verbliebene Straßenlärm wird immer leiser; irgendwann hat auch der letzte Luftverpester seinen Weg nach Hause gefunden und die Vernichtung der Welt für heute eingestellt. Und Lisa bleibt nach einer Weile nichts anderes übrig, als sich dem durchaus vernünftigen und grausamen Gedanken zu stellen, dass sie nicht nur alles andere verloren hat, sondern auch ihn .
    Das ist schlimm, sogar unerträglich, sobald sie näher darüber

Weitere Kostenlose Bücher