Starke Frau, was nun?
wie der Aufzug sich etwas weiter oben öffnet, die Trolleys scharrend über den Boden gezogen werden und kurz darauf Schlüssel in einem Schloss. Schließlich das Türklappen.
Aha, Blondie ist angekommen.
Mit jeder Stufe wird sie etwas langsamer; jedenfalls, bis es ihr auffällt, dann steigert sie das Tempo wieder. Feige ist sie nämlich nicht – jedenfalls nicht immer! Nur ihre Füße machen ihr ein wenig zu schaffen – deshalb die Verzögerung. (Mittlerweile handelt es sich um circa sechs Blutblasen und kein Ende ist in Sicht!)
Und mal angenommen, alle haben recht, dann wäre es doch wirklich dumm, wenn sie sich wegen ein paar lapidarer Bedenken gegen diesen Ami entscheiden würde, oder? Vielleicht können sie ja gemeinsam nach Afrika auswandern. Und wenn wirklich alle richtig liegen, wird er froh sein, dass sie Nein gesagt hat. Sie werden sich aussprechen, und alles ist gut.
Oder so was in der Art.
Als sie die Etage erreicht, in der Chris wohnt, fällt es ihr dennoch nicht leicht, auch zu klingeln. Beinahe sofort ertönen auf der anderen Seite Schritte, und ihr ist wieder übel. Vorsorglich stellt sie schon mal ein Bein vor, um es gegebenenfalls schneller zwischen Tür und Rahmen rammen zu können.
Doch nachdem geöffnet wurde, steht dort kein spöttisch lächelnder Ex-Moderatorenkollege, der in Wahrheit nur auf ihr Erscheinen gewartet hat, sondern jener blonde Mann, der sie eben einließ.
»Soweit ich weiß, sind wir nicht befreundet«, bemerkt er stirnrunzelnd, grinst dann aber wieder. »Überraschen lasse ich mich trotzdem gern!«
Eilig ballt Lisa die rechte Hand zur Faust, weil ihr vorwitziger Freund, der Mittelfinger, unbedingt hochschnellen will. »Yeah ... Wo ist Chris?«
»Wer?« Die Augen werden groß. »Oh, Sie meinen Mister Scout?«
»Yeah ...« Sie weiß es bereits und will eigentlich dringend verschwinden. Blöderweise kann sie derzeit keinen Muskel bewegen und lauscht deshalb ihrem Untergang, ohne ihn verhindern zu können.
»Nun, ich schätze, er wird noch im Flieger sitzen. Auf dem Weg ins gute alte Florida.« Der Exil-Ami grinst. »Austausch beendet!«
Yeah ...
* * *
23. Obdachlos
Wenig später steht Lisa wieder in der lauen Juninacht und blickt entgeistert zum finsteren Himmel hinauf.
Zorn gärt in ihr, und der hat es in sich. Wie kann dieser Typ sich einfach aus dem Staub machen? Das ist nicht nur hochgradig unfair – also ehrlich –, sie entlarvt dahinter auch jede Menge Schiss! Feige zog er sich aus der Affäre, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, ihm vielleicht zu erklären, warum sie sich derart verhalten hat. Sicher, im Grunde könnte sie die Frage nicht beantworten; sie sucht derzeit selbst noch nach einer akzeptablen Antwort, doch es geht ums Prinzip!
Und prinzipiell hat nicht sie sich wie ein elender Schisser aufgeführt, sondern er, schließlich wollte sie mit ihm sprechen! Steht ihm gar nicht, so als Macho vom Dienst. Was bitte soll sie jetzt tun? Gibt es eine Chance, an der Situation noch etwas zu ändern? Aber vor allem: Will sie das denn überhaupt?
Irgendwann besinnt sie sich und tappt auf Füßen, die mittlerweile in Flammen stehen, zu Marlene.
Apropos: Angekommen bei ihrer einzigen Freundin zieht sie endlich die Folterschuhe aus …
… und stellt fest, dass dies gleichzeitig ihr erster, tatsächlich böser Fehler war.
Dem Verlobten vor dem Standesbeamten ein ›Nein‹ zu erteilen, betrachtet sie mittlerweile als glückliche Eingebung, bevor sie sich tatsächlich zur Frau eines kahlköpfigen Langweilers machen lassen konnte, denn diesen Status wollte sie im Grunde niemals erreichen.
Mitten in der Nacht zu feigen Möchtegernmachos zu schleichen ist ein kleiner Fehler, jedoch nichts Unverzeihliches. Schließlich steht sie unter Schock und wurde darüber hinaus auch noch zu dieser Gräueltat gezwungen.
Ihr wirklich grandioser Fehler war es aber, diese verdammten Schuhe auszuziehen! Denn jetzt stehen jene Teile, die früher mal funktionstüchtige, recht hübsch geformte Füße waren, nicht nur in Flammen – nein! –, inzwischen brennen die lichterloh! Nur unter immensen Anstrengungen gelingt es ihr, den stummen Schreien nicht vorübergehend ihre Stimme zu leihen und das halbe Viertel zusammenzubrüllen.
In einem Akt der Verzweiflung zerrt sie die verdammte Strumpfhose herunter – dort, wo sie tatsächlich Blutblasen entdeckt, ist sie ohnehin hoffnungslos zerrissen –, dann schließt Lisa die Augen, genießt das Gefühl der von der Sonne noch warmen,
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