Starke Frau, was nun?
kämpfen, und als sie endlich seine Tür erreicht, fällt ihr ein, dass er ja kurzfristig auf zehn Uhr umgeschwenkt hatte.
Mist!
Nun ja, sie überlegt sich, dass es sich hierbei um einen definitiven Notfall handelt, und klingelt trotzdem. Da er noch schlafen wird, lässt sie den Daumen gleich dauerhaft auf der Klingel ruhen.
Die richtige Entscheidung, denn es dauert gar nicht lange, bis ein sichtlich mies aufgelegter Meyer die Tür aufreißt.
»Nimm sofort den Finger vom Knopf!« Seine Stimme hallt durch das gesamte Treppenhaus; was wohl die Nachbarn dazu sagen werden? Dann wendet er sich ab und schlurft davon. »Komm rein!«
Hmmm, er ist ja echt schlecht drauf; gestern vielleicht zu viel gefeiert?
Mit leicht gemischten Gefühlen folgt sie ihm in den dunklen Flur. Meyer ist Junggeselle – oder wieder –, so genau weiß das niemand, denn er spricht nicht über sein Privatleben, und die kursierenden Gerüchte klingen für Lisa allesamt unglaubwürdig.
Angekommen im Wohnzimmer sieht sie Bilderrahmen mit eindeutigen Fotos auf der dunklen Eichenanrichte und nickt. Wieder allein.
»Setz dich!«, tönt es aus der Küche. Lisa tut wie ihr geheißen und wirft sich in einen der dunklen Ledersessel.
Mist!
So kann sie ihm nicht mal die Polster mit ihren heruntergekommenen Klamotten versauen.
Wenig später betritt Helmut Meyer mit Tassen und einer Kaffeekanne beladen den Raum. Angesichts des braunen Getränks stellt sich leichte Übelkeit ein; Lisa hatte heute schon einige, außerdem ist sie echt müde. Schlafen wäre keine schlechte Idee, dummerweise wüsste sie nicht, wo sie das tun soll. Abgesehen von ihrem Teil der Hundetoilette. Ohne zu fragen, befüllt er die beiden Tassen, schiebt eine zu ihr hinüber und setzt sich in den anderen verfügbaren Sessel.
Nach einem herzhaften Schluck von der bitteren Brühe knurrt er los. »Um zehn hatte ich gesagt!«
Als sie die Schultern hebt, widmet er sich seufzend wieder seinem Kaffee, und Lisa, weil ihr nichts Besseres einfällt, tut es ihm nach.
»Das war eine Vorstellung ganz nach deinem Kaliber«, grunzt er schließlich.
Sie fällt ihn nicht an, nein! Zu müde. Lisa bringt es gerade mal auf eine abfälliger Miene und ein leicht giftiges: »Du scheinst ja glänzend auf deine Kosten gekommen zu sein.« Versuchsweise stellt sie die Tasse etwas lauter ab als üblich und schon zuckt er zusammen. »Dachte ich mir«, nickt sie zufrieden.
»Das hättest du einfacher haben können.«
»Dich mit einem Kater zu sehen?«, erkundigt sie sich sanft, was ihn endlich entnervt die Augen verdrehen lässt.
»Diese gesamte Tour war nicht erforderlich; er hat darauf gewartet, dass du etwas sagst. Das war doch offensichtlich!«
»So!« Diesmal landet ihre Tasse garantiert scheppernd auf deren Gegenstück, und sie registriert mit Begeisterung sein erneutes Zusammenfahren. »Komisch, dass immer alle mehr wissen als ich! Bekomme ich jetzt endlich die Adresse? Ich habe nämlich noch etwas anderes zu tun!«
Sein drohender Blick ist nicht von schlechten Eltern, aber schließlich lässt er sich doch wirklich erweichen. Nach einer Weile Herumkramens in der Anrichte befördert er ein kleines Buch ans Tageslicht, aus dem er tatsächlich einige Daten herausschreibt und ihr dann den Zettel reicht. Lisa muss sich Mühe geben, ihn nicht aus seiner Hand zu fetzen und lässt ihn eilig in ihre Handtasche gleiten, bevor er es sich anders überlegt. Jetzt nur noch schnell verschwinden …
»Und nun?«
Das ist genau die Frage, hinter deren Antwort sie seit Stunden zu gelangen versucht. Derzeitiger Stand: ergebnislos. Als sie nur vage die Schultern hebt, stellt Meyer die Tasse ab und lehnt sich zurück. »Wirst du kündigen?«
Lisa ihr inzwischen abgrundtief gehasstes Heißgetränk und hebt beiläufig die Schultern.
»Überlege es dir!«
Diese Bemerkung übergeht sie geflissentlich. Mittlerweile scheint auch das letzte Adrenalin ihren Körper zu verlassen und sie befürchtet, demnächst einfach umzukippen und zu schlafen. Na ja, kein Wunder, sie ist seit gestern Morgen wach und …
Gestern Morgen …
Ihr kommt es vor, als wäre es Teil eines anderen Lebens gewesen.
»Du musst dich dringend entscheiden«, meldet sich der unrasierte Chef. »Ich muss wissen, ob du in drei Wochen hier bist und die Sendung übernimmst.«
FRAU! Weiß der Kerl eigentlich, wie sehr er nervt? Nicht? Schade eigentlich. Doch anstatt ihn zu erleuchten, tut sie das Einzige, was derzeit Sinn ergibt und steht eilig auf. »Ich
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