Starke Frau, was nun?
Hey!«, grinst er. »Lisa und ich hatten heute einen wunderbaren Tag. Entbehrungsreich, enttäuschend, schockierend, aber auch überraschend und durchaus befriedigend.«
Entsetzt reißt sie die Augen auf, das Herz rutscht ihr bis in die Hose und sie zieht drohend die flache Hand an ihrer Kehle entlang. Du bist tot!
Entnervt schüttelt er den Kopf und zeigt ihr einen Vogel. »Um es kurz zu machen, Guys, wir haben uns heute an die Spree gewagt. Trotz der Kälte. Und wen haben wir dort nicht alles getroffen ...«
Lisa stöhnt vor Erleichterung.
Er hat recht, sie muss unbedingt lockerer werden.
* * *
16. Heißer Samstag
»Lisa, was hast du eigentlich am Wochenende vor?«
Mit tief gefurchter Stirn überlegt sie, was sie antworten soll. Blöderweise bleibt ihr nicht viel Zeit, denn die BILD lesenden Hörer lauschen mit. »Was geht dich das an?« Abfuhr ist immer gut.
Chris grinst. »Oh, ich hatte vor, dich auf einen Ausflug einzuladen.«
»Ach?«
»Yeah! Seitdem der Frühling auch diese Gefilde endlich erobert hat, regen sich in mir so seltsame Gefühle ...«
»Oh mein Gott ...«
»Ich will hinaus in die Natur, die Gegend erkunden, having fun.« Er lehnt sich vor. »Willst du auch Spaß, Lisa Radtke?«
»Ich glaube, unsere Auffassungen diesbezüglich unterscheiden sich eklatant«, murrt sie, und hütet sich, ihn anzusehen, denn sie weiß ganz genau, wie sehr seine Augen soeben funkeln.
»Yeah. Da stimme ich dir sogar zu - zumindest in den meisten Fällen ...«
Diesmal präsentiert sie ihm den Stinkefinger, kann sich allerdings ein Lächeln nicht ganz verkneifen, weil sie an den Vormittag denkt, den Chris und sie im Bett verbrachten – da herrschte übrigens verdammt viel Einigkeit, und WIE! Sein Grinsen wird breiter. »Also, was hast du vor? Besuch einer Protestkundgebung gegen permanente Frauenfeindlichkeit und sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz?«
»Du wirst es nicht glauben, aber so was in der Art schwebt mir vor.«
Überrascht sieht er auf. »Ehrlich?« Das sind die ersten normalen Worte, die der Typ seit Beginn der Sendung artikuliert. Also die ernst gemeint sind – alles Bisherige war miese Show.
»Yeah, ernsthaft.«
Die Suffragetten sind nicht etwa mittlerweile besänftigt oder so, aber sie sprechen wieder mit ihr. Auch wenn Lisa jetzt bestens in die Funktionsweise von Peggys Wasserkocher eingewiesen ist, weil die sich anhaltend weigert, ihr einen Kamillentee zu kochen, und zur Gemeinschaftskanne wird ihr neuerdings der Zugriff verweigert. Sie haben beschlossen, ihr noch einmal eine Chance zu geben. Ihnen ist wohl aufgegangen, dass sie nur noch zu fünft sind, wenn sie Lisa verstoßen. Daher ist die sozusagen auf Bewährung und hat die Auflage, mindestens vier Bewerbungen bei anderen Sendern nachzuweisen. Wöchentlich.
Die Quote erfüllt sie, wenn ihr auch das Geld leidtut und vor allem die Zeit. Manche sind nämlich wirklich so blöd, sie zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Zusätzlich verschwendete Zeit, denn alle verlieren augenblicklich das Interesse, sobald ihnen aufgeht, dass Lisas Bewerbung ohne Chris zu verstehen ist. Doch die hat sich in der Zwischenzeit beholfen; sie kam nämlich dahinter, dass die Mädchen nicht wissen können, wie der Schriftwechsel zwischen Frau Radtke und beispielsweise dem Berliner Spreefunk abgelaufen ist. Seitdem denkt sie sich die wüstesten Storys aus, die sie dann beim wöchentlichen Treffen zum Besten gibt.
Immer läuft es darauf hinaus, dass ein mieser männlicher potthässlicher Typ ihr erklärte, sie könne den Job schon haben, wenn sie sich ihm gegenüber etwas freundlicher benimmt. Einschließlich des eindeutigen Abcheckens ihrer Brüste selbstverständlich.
Am kommenden Morgen findet eine Kundgebung Unter den Linden statt. Offenbar rechnet man mit einigen Teilnehmern; allerdings geht es diesmal weniger um die Frauenbewegung. Es wird heiß und sie wird dort sein, egal, was passiert.
Ein Finger schnipst vor ihren weit aufgerissenen, nicht sehenden Augen. »Lisa? Noch wach?«
Eilig blinzelt sie. »Fast.«
»Great!«, grinst er. »Also, was ist jetzt? Wie lange geht deine Rettet-die-Wale-Kundgebung?«
Ihr boshafter Blick ist obligatorisch, doch dann kommt ihr ein Gedanke. »Ich weiß nur, wann sie beginnt. Das wäre morgen früh um zehn Uhr. Wir demonstrieren gegen das Monopol der Banken und für den gesetzlichen Mindestlohn. Organisator ist die Occupy -Bewegung mit Unterstützung der Suffragetten. Also, wer sich von euch angesprochen
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