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Starke Frau, was nun?

Starke Frau, was nun?

Titel: Starke Frau, was nun? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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vereinbarten Punkt sammeln. Heute sind nicht nur die Prenzlauer Berger Suffragetten erschienen, sondern auch alle anderen Stadtbezirke, weshalb sich um die einhundert Frauen jeden Alters hier tummeln.
    Keine Männer - kein Einziger. Glücklicherweise!
    Na ja, Letzteres ist weniger Glück als vielmehr Berechnung, denn Lisa hat Chris mit einem vagen » Unter den Linden – kannste nich verfehlen!« abgespeist, sich allerdings bereits resigniert in ihr Schicksal ergeben. Bei ein paar Teilnehmern würde der penetrante Ami sie auf jeden Fall irgendwann finden. Sie wäre ja niemals auf die Idee gekommen, dass so viele Menschen erscheinen würden. Robert hätte gern teilgenommen, wie er ihr mehrfach versicherte, musste sich jedoch mit Hinweis auf seine Arbeit entschuldigen. Auch darüber ist Lisa nicht böse. Ihren Verlobten, so freundlich und still er ist, kann man nur in wohldosierten Schüben ertragen, alles andere schlägt einem unweigerlich aufs Gemüt.
    Kaum hat sie ihre Maske abgenommen und sich als Lisa Radtke geoutet, wird sie von aufgeregten Leuten umringt. Also diesmal wirklich, denn sie schieben sich nicht länger an ihr vorbei, sondern gaffen sie an, als wäre sie ein rosa Elefant.
    »Lisa! Wir sind hier!«
    »Wo ist Chris?«
    »Wir haben jeden angerufen, den wir kennen! Und ... da wären wir!« Eine dickliche Frau mit großem Mund steht vor ihr und hat die Arme ausgebreitet, als erwarte sie jetzt die Ordensvergabe oder so. »Wo ist Chris?«
    Bevor Lisa an eine Antwort auch nur denken kann (oder daran, den Schock zu verkraften), wird sie von einer überschwänglichen Peggy umarmt. »Oh, du bist gekommen!«
    »Was dachtest du denn?«
    Peggy antwortet nicht; ihre Augen glänzen. »Schau, wie viele hier sind! Das müssen ...« Sie springt hoch, was sich mit ihren Massen, die sie unter ihrem Gewand versteckt, wirklich bedrohlich ausmacht. »... tausend ... neee, zehntausend sein ... mindestens!«
    Kurz darauf macht Lisa Klara, Katrin, Rita und Gertrud aus, die sich strahlend, und jede mit einem Schild bewaffnet, zu ihr gesellen.
    Mist, sie hat ganz vergessen, ebenfalls eines zu malen. Aber wann auch? Dank dieses Amis ist sie ja immer im Stress oder in seinem Bett, manchmal sogar beides. Eilig verdrängt sie den letzten Gedanken und begutachtet die künstlerischen Werke ihrer Mitstreiterinnen. Die Schwestern haben sich wirklich Mühe gegeben, das muss sie bei allem Geiz zugeben:
    Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie schon längst gerettet!
    Wacht auf!
    Eine Stimme ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
    Eine Million können die Welt verändern!
    Echt?
    Du vertraust noch deiner Regierung?
    Das Recht auf Generalstreik ist ein Menschenrecht!
    Diese Person zeigt NULL TOLERANZ
    bei Gewalt gegen Frauen!
    »Lisa!«
    Als sie sich umschaut, erblickt sie ein Mädchen – möglicherweise ist es dreizehn, vielleicht auch fünfzehn, in diesem Alter weiß man ja nie so genau. Die roten Pickel leuchten jedenfalls zahlreich und irgendwie bedrohlich, genau wie die Glupscher. »Ich bin Annika!«
    Lisa nickt. »Tach.«
    »Wo ist Chris?«
    Ach du Scheiße, wieder so eine BILD lesende Hörerin. Lisa hatte bisher nicht vermutet, dass die so jung sind. Obwohl, einige Mails und deren Rechtschreibung, also der Mangel daran, ließen so etwas in der Art vermuten. Aber ... »Ich habe keine Ahnung«, nuschelt sie und wünscht sich, das Gör würde leise sprechen. Schließlich hören die immer kampfbereiten Suffragetten mit.
    »Aber er kommt doch, oder?« Annika, die Rebekkas Schwester sein könnte, betrachtet sie flehend. »Gestern hat er gesagt, dass er kommt. Warum hast du ihn denn nicht mitgebracht? Ich meine, ohne Chris ...«
    »Don‘t worry, girls. I‘m here!«
    Erschöpft schließt Lisa die Augen. V.E.R.D.A.M.M.T! Sofort geht ein vielstimmiger Chor los. »CHRIS!«
    Sie reißt die Lider so schnell auf, dass es sie beinahe ihre Wimpern kostet, und bereut diese Aktion im selben Moment. Denn die sich in den nächsten Minuten vor ihr abspielenden Szenen sind an Grauen nicht zu überbieten: Er ist da – logisch. Einschließlich Grinsen, kurzer Lederjacke und Dreitagebart.
    Und er wird tatsächlich von einer kreischenden Frauenhorde umringt, die ihm irgendwelche Fotos entgegenstrecken. Von den Plakaten wusste Lisa bereits – wie auch nicht, sie hat ja täglich mehrfach das Vergnügen. Aber dass auch diese lächerlichen Fankarten ausgegeben werden, war ihr bislang unbekannt. Dass dies jedoch derzeit ihr geringstes Problem ist, geht

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