Starke Frau, was nun?
ihr auf, als sie zu ihren Freundinnen sieht. Die sind nämlich erstarrt.
Zehn riesige Glupscher fixieren den Möchtegernstar, der grinsend seine Autogramme an die weibliche Zuhörerschaft verteilt – offensichtlich sind sie sogar etliche BILD – Leser ihrem Aufruf gefolgt; das hätte Lisa ja auch nie für möglich gehalten. Und dann, synchron, wie auf Kommando, richten sie ihre anklagenden Blicke auf sie und Lisa bleibt fast das Herz stehen.
Scheiße!
Peggy – wie immer – erholt sich als Erste. Sie holt tief Luft, pumpt ihren ohnehin bereits beachtlichen Vorbau noch mal zusätzlich auf, und blökt los: »Wie kannst du es wagen, den hier anzubringen?«
Bevor Lisa sich dazu irgendwas ausdenken kann, springt Gertrud ein. »Wieso?« Es klingt so heiter, dass es leicht irre Züge aufweist. »Er hat sich ausgeliefert, das ist einfacher als die Alternative ...«
»Welche ...« Alternative , will Lisa fragen, doch schon werden die Mienen eisig. Aha, sie hat wieder Redeverbot, und bestimmt darf sie jetzt auch nicht mehr Peggys Wasserkocher benutzen.
Währenddessen geschehen nebenher gleich zwei weitere Dinge: Die Fans um Chris – vereinzelt macht Lisa auch Männer aus – werden immer zahlreicher und fordernder, und am anderen Ende der großen Allee steigt jemand mit einem Mikrofon in der Hand auf ein Podest. Lisa kennt ihn nicht, kann ihn aus dieser Entfernung auch kaum ausmachen und sieht nur, dass er Jeans trägt. Es gibt keine Verstärker, deshalb kommt er bei ihnen ziemlich dünn an.
»Wow!«, sagt er. Das Pfeifen einer miesen Rückkopplung lässt einige Hundert Leute schmerzhaft aufjaulen. Die Autogrammjägerinnen um den Starmoderator bekommen es nicht mit, aber die mordlüsternen Suffragetten wenden wenigstens mal ihre Aufmerksamkeit von Lisa ab, die innerlich mittlerweile vor Wut schäumt. Tatsächlich kann sie sich gar nicht entscheiden, wen sie als Erstes erschießen will.
»Das ...« Das nächste Pfeifen ertönt und der Typ in Jeansklamotten räuspert sich. »Das ist ... wow! Ich werde nicht an allen Ecken zu verstehen sein, also gebt es weiter; behelft euch, Leute, hier ist alles ein wenig improvisiert. Mein Name ist Karl Heidenreich; ich bin Leiter des Organisationsteams der Occupy -Bewegung Berlin und dieses Events. Bevor wir zur Siegessäule losziehen, noch ein paar organisatorische Dinge ...«
»Typisch Mann!«, knurrt Gertrud. »Wir haben mitorganisiert.« Doch niemand beachtet sie; alle konzentrieren sich auf den Winzling auf dem Podest, jedenfalls macht er sich aus der Ferne ziemlich winzig aus. Das sind mindestens zehntausend Leute, überlegt Lisa. Scheiße, mehr!
Selbst die dussligen Autogrammjäger/-innen sind still geworden, wie sie aus den Augenwinkeln bemerkt.
»Euch sind mit Sicherheit nicht die vielen Vertreter unserer Polizei entgangen. Dies ist eine angemeldete Demonstration; sie sind also nur hier, um die Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.« Das nächste Pfeifen ertönt. »Also bitte, es werden keine Steine geworfen, keine Flaschen, und ich will keine Feuerwerkskörper sehen. Wir leisten hier gewaltfreien Widerstand; das ist das A und O, damit unser Vorhaben auch gelingt. Jeder Randalierer fliegt sofort raus. Sorgt untereinander dafür, dass es ruhig, geordnet und gewaltlos bleibt.« Scheinbar wirft er einen Blick über die zahllosen Menschen und dann grinst er. »Oh Mann, das ist echt wow! Und jetzt lasst uns losgehen!« Damit steigt er hinunter und verschwindet in der Menge.
»Hältst du die Geschichte für sicher?«
Lisa schaut auf, direkt in Chris` nachdenkliches Gesicht. »Was weiß ich?«, faucht sie. »Du wolltest doch unbedingt mitkommen! Wenn du dir in die Hosen scheißt, dann geh nach Hause zu Mami!«
Dafür erntet sie nur spöttisch erhobene Brauen.
»Guten Tag!« Die zackige Stimme Karlas ertönt direkt neben Lisa. Oh Scheiße, jetzt geht’s los, den Ton kennt sie. »Mein Name ist Karla Irmgard Schneider, ich bin Mitglied der Suffragetten, Bezirk Prenzlauer Berg, und wer bitte sind Sie?«
Lisa stöhnt und der Ami lächelt. »Mein Name ist Christian James Scout und ich bin Lisas Partner. Sie hat mir so viel von diesem Event erzählt, dass ich unbedingt daran teilnehmen musste. Sozusagen eine Herzensangelegenheit, schließlich wird sich an den Zuständen weltweit nichts ändern, solange jeder nur an sich selbst denkt, oder wie sehen Sie das?«
Karla antwortet nicht, doch ihr Blick könnte nicht herablassender ausfallen. Wenigstens Katrin zeigt so was wie
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