Starke Frau, was nun?
zustande; sie versucht derzeit noch, mit der Realität Schritt zu halten.
Karla setzt derweil dem Ganzen die Krone auf. »Unser Ultimatum beinhaltet noch einige Details, die bisher ungenannt blieben.« Eilig sieht Lisa sich um, nur für den Fall, dass die das Treffen heimlich mitschneiden. Sie kann erst mal nichts entdecken, aber man weiß ja nie.
Förmlich (in Anpassung an Karlas plötzlichen Stimmungsumschwung) nickt sie. »Worum handelt es sich hierbei?«
»Nun ...« Karla richtet sich auf. »Erstens wirst du ab sofort an jedem Treffen teilnehmen. Keine weiteren fadenscheinigen Ausflüchte. Es ist eine Frage der Prioritäten. Wenn du noch zu uns gehörst, dann findest du auch einen Weg, egal, wie schwierig es wird. Einmal fehlen, ob entschuldigt oder nicht, und du bist draußen.« Mutwillig und mit erhobenem Kinn mustert sie Lisa. Als die – bar jeder Worte – schweigt, fährt sie fort. »Des Weiteren wirst du die verbliebenen Abende in dieser katastrophalen, frauenfeindlichen, sexistischen und inhumanen Sendung nutzen, um unsere Partei bei der Zuhörerschaft bekannt zu machen und ihnen unser Programm genauestens zu erklären. Dass dies bisher nicht stattgefunden hat, zeigten bereits die Reaktionen dieser versammelten Jünger des Machos bei der Demo. Du wirst unser Sprachrohr mimen ...«
»Moment ...« Lisa begibt sich immer mehr in Schräglage; in der Zwischenzeit muss sie echt aufpassen, nicht plötzlich vom Sessel zu rutschen. »Du erwartest von mir, dass ich meine privaten politischen Interessen in die Moderation meiner Sendung einfließen lasse? Unter formaljournalistischen Gesichtspunkten ist das unter aller Kanone! Außerdem wird die Obrigkeit des Senders damit keineswegs einverstanden sein.«
»Die Obrigkeit dieses Feministinnenkillersenders ist mir scheißegal!«, knurrt Peggy von ihrer Chaiselongue. »Und was die formaljournalistischen Gesichtspunkte angeht, kannst du mich auch kreuzweise. Du gibst ihm Saures und nennst mindestens einmal pro Stunde den Parteinamen, ansonsten fliegst du!«
Fassungslos sieht Lisa von einer ihrer durchgeknallten Schwestern zur anderen. »Was ist passiert? Gestern kleine Jointparty? Wasserpfeife geraucht? Pilze gefressen? Gegenseitig zu lange auf die Köpfe eingedroschen?«
Gertrud hebt die Schultern. »So läuft das überall. Wir haben viel zu lange diese Möglichkeit der PR außer Acht gelassen, und das, wo wir so gut wie keine öffentliche Unterstützung genießen. Das war dämlich! Den Typen der etablierten Testoparteien wäre das nie passiert! Bis zur Kommunalwahl ist es nicht mehr lange. Wenn wir nicht bald ein paar neue Sympathisanten auftun, können wir es wieder vergessen!« Lisa entgeht nicht, dass wenigstens Gertrud inzwischen bettelt. »Du sitzt am Hebel! Wenn du es geschickt anstellst ...«
»Schwachsinn!«, grollt Rita. »Würde sie hinter unserer Sache stehen, müsste man sie nicht erst mit der Nase darauf stoßen. Du bist eine herbe Enttäuschung, Mädchen! Ich weiß nicht, wann, aber ich glaube, du hast uns längst verlassen. Ob du das jetzt einsehen willst oder nicht.«
Ob du das jetzt einsehen willst oder nicht!
Dieser verdammte Satz, den sie sich nämlich vor nicht ganz 24 Stunden schon einmal anhören durfte, ist der Grund, weshalb Lisa a) tobsüchtig wird: »Ich ziehe mir den Scheiß für keine Sekunde länger rein! Jeder scheint hier zu glauben, mir seine verdammte Meinung aufs Auge drücken und sagen zu müssen, was ich zu tun und zu lassen habe! Und übrigens Peggy, dein Wasserkocher ist Scheiße, der Tee schmeckt nach Kalk und Hühnerkacke! Vielleicht solltest du aufhören, darin deine verdammten Eier zu kochen!«;
b) aus der Wohnung rauscht und sich c) am frühen Nachmittag, noch Ewigkeiten vor Beginn der Sendung, auf der von der Sonne gefluteten Straße wiederfindet.
Sie überlegt erst gar nicht, wohin sie gehen soll; Lisa will niemanden sehen, den sie kennt. Wer auch immer das arme Schwein sein würde, er wäre tot. Die Gefahr einen Unschuldigen zu treffen, ist aber zu hoch, und sie im Grunde Pazifistin, solange sie nicht gerade von einem dämlichen Macho angemacht wird oder ein hirnamputierter Autonomer auf sie einprügelt.
Und so sucht sie sich ein kleines Café, das ein Herz für Kuhmilchverächter und ein paar Tische draußen aufgestellt hat, und bestellt sich einen riesigen Eisbecher.
Mit Sahne.
Als der verdrückt und noch immer jede Menge Zeit übrig ist, verzieht sie sich ins Innere des Lokals und bestellt einen Weiteren.
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