Starke Frau, was nun?
einem ausufernden Vortrag über die diversen sinnlosen Verwendungsmöglichkeiten von Rohöl, das unter Vernichtung der Natur gefördert wird, nur um Idioten, die nicht in der Lage sind, ihre verdammten Grünpflanzen zu gießen, mit dieser geschmacklichen Vergewaltigung auszustatten. Sie berichtet von den Kindern, die das Zeug mit gesundheitsschädlichen Lacken bearbeiten, und klärt ihn umfassend über deren Lebenserwartung auf. Als sie geht, heult Mark und gelobt, das Zeug zu vernichten, auch wenn er damit zweihundert Euro Miese macht.
Lisa ist zufrieden. Schon mal eine gute Tat vollbracht.
Als Nächstes macht sie Halt in ihrem Stammrestaurant, um zu frühstücken; Robert hat abgesehen von utopischen Mengen an Puddingpulver, Sojamilch, Zucker und Nüssen nichts Nahrhaftes im Haus. Sie nimmt sich vor, ein ernstes Wort mit ihm zu sprechen, denn er muss jetzt öfter einkaufen gehen, schließlich lebt er nicht mehr allein.
Die Sonne scheint, weshalb einige Tische vor dem Lokal stehen. Und so kann Lisa ihr Biodinkelbrot und den Kamillentee genießen, während sie die vertrauten Gesichter aus ihrem Viertel bei deren Tagesaktivitäten beobachtet.
Aus ihrem Kiez verschwinden? Alles hinter sich lassen, was ihr lieb und teuer ist? Robert – okay, von dem weiß Chris nichts, aber es geht ihn auch nichts an. Ihre Eltern – obwohl sie sich erst mal nicht bei Hans blicken lassen wird, bis der diesen empörenden aggressiven Ausdruck wieder abgelegt hat. Die Treffen mit den Schwestern, die Abende in den Parks, ganz besonders auch die Kundgebungen; all das aufgeben? Die meisten Demos laufen zivilisiert ab, weil ohnehin nur ein paar Leute teilnehmen. Selbst der Gedanke, den Countdown nicht mehr zu moderieren, stößt Lisa sauer auf. Vor allem, wenn sie bedenkt, wogegen sie das eintauschen würde.
Chris ist Folter, wenn man ihn täglich circa acht Stunden ertragen muss. Das vergangene Wochenende hat sie an den Rand der Hysterie getrieben.
Das ständig?
Niemals!
* * *
Lisa denkt ja gar nicht daran, früher in den Sender zu gehen. Sie haben wohl genügend Stoff zusammengetragen, über den sie sich am Abend austauschen können. Die paar Stichpunkte, die Chris hochtrabend ›Vorbereitung‹ nennt, kann der Idiot auch allein auf ein Blatt Papier kritzeln. Er verdient mindestens das Doppelte als sie!
Stattdessen macht Lisa sich zu einem Krankenbesuch bei Peggy auf. Abgesehen von Katrin, die in ihren Vorlesungen sitzt, sind alle versammelt. Darüber ist Lisa nicht sonderlich verblüfft – eher über die kühlen, abweisenden Blicke.
Peggy geht es offenkundig prächtig. Kaum, dass Lisa das Wohnzimmer betreten hat, legt die auch schon los. »Aha!«
Automatisch sieht Lisa hinter sich; als da niemand steht, dem die gar nicht freudige Begrüßung gelten könnte, seufzt sie. »Was ist jetzt wieder?«
Peggys Augen verengen sich drohend; mit dem riesigen Verband um ihren breiten Schädel sieht das echt gefährlich aus. Dann wirft sie Gertrud, Karla und Rita einen eiligen Blick zu – was macht Gertrud eigentlich hier? Hat die keinen Laden, in dem sie dringend ein paar Bücher verkaufen muss?
»Sie tut dämlich.«
Düstere Mienen sind die Antwort und Lisa schwant, dass der theoretische Eklat, an den sie gestern dachte, nicht sehr weit hergeholt war. Betont lässig pflanzt sie sich in einen der breiten Sessel und sieht sich auffordernd um. »Klärt mich auf; ich bin atemlos vor Spannung!«
Gertrud übernimmt das Sprechen. »Dieser Obermacho. Wir sind der einhelligen Meinung, dass zwischen euch was läuft.«
Ach du heilige Scheiße!
»Watt? Und wie kommt ihr zu der wahnsinnig geilen Schlussfolgerung? Würde mich echt interessieren.«
»Er hat sich für dich geprügelt«, erklärt Karla bedeutungsschwanger und ausnehmend düster.
Lisa hebt die Schultern. »Er hat sich auch für euch geprügelt, vergessen? Das war die arrogante und selbstherrliche Darstellung seiner körperlichen Überlegenheit. Er wollte uns zeigen, dass wir ohne seine Unterstützung ziemlich alt aussehen. War doch nicht anders zu erwarten!«
Wieder werden diese widerlichen Blicke gewechselt. »So weit ganz richtig«, nickt Karla langsam. »Aber seine Sorge um das little Girl war grenzwertig, oder?«
Alles hebt und senkt zustimmend die Häupter, außer Lisa, die sich vornimmt, schon mal die nächsten Flüge nach Afrika auszuloten – nur für alle Fälle.
»Du hast dich auch für ihn geprügelt, Lisa.« Es kommt wie die ultimative Enthüllung und stammt von
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