Starker als dein Tod
etliche Grade gefallen. Er schaute über den verschneiten Parkplatz zu dem Picknicktisch, wo er Emily zurückgelassen hatte. Ein Schauer durchfuhr ihn, als er den Tisch leer vorfand.
Wo zur Hölle war sie abgeblieben?
Er rannte so schnell er konnte über den Parkplatz. Am Picknicktisch hielt er atemlos an – und erstarrte. Sie lag zusammengerollt auf der Bank und schlief. Er spürte, wie seine Knie vor Erleichterung nachgaben. Sie hatte die Arme schützend um ihren Körper geschlungen. Sie war so schön, dass es geradezu schmerzte, sie anzusehen. In ihm stieg ein Gefühl auf, das zur Hälfte Zuneigung war und zur anderen Hälfte etwas, das er sich nicht eingestehen wollte. Er stellte Suppe und Kochplatte ab, beugte sich hinunter und hob sie in seine Arme. Ihre Augenlider flatterten und öffneten sich.
„Ich bin’s nur“, flüsterte Zack.
Sie sah sich rasch um, versuchte sich zu orientieren. „Was …“
„Du bist eingeschlafen.“
„Ich wollte nur für eine Sekunde die Augen schließen.“
„Das ist schon in Ordnung.“ Er ging neben dem Picknicktisch leicht in die Knie. „Nimm die Kochplatte und die Suppendose, ja?“
„Du kannst mich ruhig runterlassen. Ich kann selber laufen.“
„Du bist völlig erledigt.“
Sie protestierte nicht, als er sich mit ihr auf dem Arm umdrehte und zur Hütte Nummer sechs lief. Versteckt zwischen einigen winterlich kahlen Pappeln, entpuppte sich die Hütte als relativ abgelegen und außerhalb der Sichtweite von der Straße und der Rezeption.
Auf der Veranda ließ Zack Emily aus seinen Armen auf die Füße gleiten und schloss die Tür auf. Die rustikale Hütte bestand aus einem Raum mit einem Holzofen in der Ecke, Kieferbohlen auf dem Boden und grob behauenen Zedernbalken. Ein schmales Eisenbett mit einer weißen Daunendecke und diversen Zierkissen dominierte das Zimmer. Links führte eine Tür in ein kleines Badezimmer mit einer Dusche. Hinter einer Schiebetür auf der rechten verbarg sich ein winziger Schrank.
„Home, sweet home“, sagte Zack, als er das Licht anmachte und in das Zimmer trat.
Emily stand neben ihm. „Nicht unbedingt das Hilton, aber für den Notfall reicht es.“ Sie stellte die Kochplatte auf den Tisch vor dem einzigen Fenster ab.
Zack wusste, dass er sich eher darauf konzentrieren sollte, wie sie aus dieser Bescherung wieder herauskamen. Darauf, wie er den Maulwurf bei MIDNIGHT finden und gleichzeitig den Männern von
Lockdown
und
Signal Research and Development
entkommen sollte. Doch wenn er Emily ansah, konnte er an nichts anderes denken als an die Art, wie sie sich bewegte, wie ihr Gesicht leuchtete, wie sie geschmeckt hatte, als er sie küsste.
Er ging zu ihr und nahm ihr die Konserve aus der Hand. „Lass mich das machen.“
„Wenn ich aufhöre, mich zu bewegen, breche ich zusammen“, meinte sie.
„Genau darum geht es“, erwiderte er. „Nimm eine Dusche. Ich mache die Suppe warm. Und dann werden wir ein wenig schlafen.“
„Hast du vergessen, dass da draußen bewaffnete Männer sind, die uns suchen?“
Das hatte er nicht vergessen. Nicht im Geringsten. Aber Zack wusste, was Erschöpfung und Hunger einem Menschen antun konnten. Sie konnten einen schwächen und mürbe machen – nicht nur physisch, sondern auch psychisch. „Wir brauchen ein paar Stunden Schlaf und etwas zu essen, und dann überlegen wir uns einen Plan.“
Wenn er doch nur ansatzweise eine Idee hätte, wie der aussehen könnte.
Der Mann in dem Anzug konnte einfach nicht glauben, dass sich die Situation so rapide und dramatisch verschlechtert hatte. Es waren zu viele Menschen in die Sache verwickelt, und alle stellten Fragen. Fragen, von denen er nicht wusste, wie er sie beantworten sollte.
Es klopfte an der Tür. Wird auch Zeit, dachte er. „Es ist offen“, sagte er aufgebracht hinter seinem Schreibtisch.
Der Mann, der das Büro betrat, hinkte und hielt eine dünne Aktenmappe in der Hand. Wortlos nahm er auf dem Stuhl gegenüber vom Schreibtisch Platz und legte die Mappe auf die glänzende Tischplatte.
„Devlins Akte?“ Der Mann öffnete die Akte. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, als er zu lesen begann. „Hervorragend“, stieß er aus und spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Doch dieses Mal geschah es vor Aufregung und nicht vor Furcht oder Beklemmung oder all den anderen Dingen, die er empfunden hatte, seit Devlin und Emily Monroe vor sechsunddreißig Stunden aus dem
Bitterroot
geflohen waren.
Nachdem er seine Lektüre
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