Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
Vom Netzwerk:
Wohnmobile und noch eine für die beste College-Football-Mannschaft des Landes, und das ist wahrscheinlich alles, was man über Indiana wissen muss. Kurz vor Illinois erleichterten wir uns in einer Raststätte, deren Toiletten von einer Schnell-Imbiss-Kette gesponsert wurden, und hatten damit das Recht auf den Erwerb eines Indiana-Magneten. Wir übernachteten in Chicago, was fatale Auswirkungen auf die ältere Tochter hatte, der die Stadt so gut gefiel, dass sie beschloss, dort studieren zu wollen und damit ihren Vater zu ruinieren.
    Wir saßen pro Tag im Schnitt sechs bis acht Stunden im weißen Minivan. Mal fuhr der Mann, mal die Frau, die mit den Gegebenheiten des amerikanischen Straßenverkehrs deutlich gelassener umgeht als der Mann, der sich allzu leicht aufregen kann über träge Verkehrsteilnehmer, welche sich stupide an jede Geschwindigkeitsbegrenzung halten; das war schon in Deutschland so und wurde in den USA nicht besser, nicht mal im Urlaub.
    Lange Autofahrten eignen sich aber vorzüglich für lange Diskussionen. Die Töchter des Hauses waren nun in einem Alter, in dem sie gerne diskutierten. Etwa über das Geduldsproblem ihres Vaters auf amerikanischen Highways. Aber auch über grundsätzliche Dinge. Irgendwo zwischen Illinois und Iowa überraschte uns die jüngere mit der Frage: »Mama, Papa, ganz ehrlich, war ich ein Unfall?« Wir versicherten ihr wahrheitsgemäß und glaubhaft, dass sie die Frucht der Liebe sei, und die ältere, auch kein Unfall, rollte die Augen.
    Es war endlich an der Zeit, den Kindern Orte zu zeigen, in die sich kein Tourist verirrt. Amerika ist glücklicherweise voll solcher Orte, und jeder Ort hat mindestens ein Museum mit irrsinnig zuvorkommenden Ehrenamtlichen drin, Rentnern zu hundert Prozent, die den Besucher überaus freundlich empfangen und sicherstellen, dass der Gast jedes, aber auch jedes Exponat eingehend studiert. Wir stoppten in Dixon, Illinois, um dort das Haus zu besichtigen, in dem Ronald Reagan aufgewachsen war. Streng genommen hatte der verblichene Reagan zuvor schon in diversen anderen Häusern in Dixon gelebt, aber dies war, warum auch immer, das offizielle Museum. Die ehrenamtliche Seniorin, Hüterin des Reagan-Grals, hieß Ernestine, war deutscher Abstammung und führte uns durchs Häuschen, das nichts, aber auch gar nichts Spektakuläres hatte. Sie zeigte die Küche und das Wohnzimmer und Esszimmer und Ronald Reagans Jugendbett. Ernestine hatte das Talent, zehn Minuten am Stück über Reagans Bett dozieren zu können. Wir waren an diesem Tag die einzigen Besucher, und deshalb nahm sich Ernestine viel, viel Zeit. Nach eineinviertel Stunden verabschiedeten wir uns herzlich von Ernestine, machten noch ein Familienfoto vor einem Ronald-Reagan-Denkmal, und im Auto fragte die ältere Tochter: »Hast du nicht immer gesagt, dass du früher gegen Reagan auf die Straße gegangen bist?« Das war zur lila Latzhosenzeit und stimmte. Ich entgegnete, dass man trennen müsse zwischen persönlicher Abneigung und Geschichte, und sie sagte: »Das heißt, dass wir uns irgendwann auch das Geburtshaus von Bush ansehen müssen?«, aber so tief würden wir bei allem Geschichts-Interesse dann doch nie sinken.
    Wir fuhren und fuhren und fuhren, manchmal stand auf unseren Reise-Instruktionen: »Biegen Sie auf die 190 und fahren Sie 560 Kilometer geradeaus, dann rechts.« Wir übernachteten in Motels der Marke »Best Western« und aßen in kleinen Restaurants der Marke »viel Fleisch, wenig Gemüse«, weil nahrungstechnisch die Faustregel gilt: im Westen nichts Neues. Wir spielten das wunderbare Spiel »Beiß mir einen Bundesstaat« , wozu sich Nachos perfekt eignen. Die Töchter knabberten so lange an diesem mexikanischen Gebäck, bis es ansatzweise die Form eines US-Staates hatte, und fragten: »Welches Land ist das?«. Viele Nachos, geknabbert oder nicht, sehen merkwürdigerweise aus wie Tennessee. So vertrieben wir uns die Zeit.
    In Walcott, Iowa, direkt am Highway hielten wir an am »World's Largest Truck Stop«, einer gigantischen Tankstelle mit gigantischem Parkplatz. Beide Töchter begannen zaghaft zu murren, »are you crazy?«, als ich einen Boxenstopp verordnete, um Fotos zu machen. Ich muss gestehen, dass ich in Amerika eine gewisse Obsession für die Skurrilitäten jenseits der Straßen entwickelte. Die Obsession begann vor Jahren mit der Besichtigung der weltgrößten Fieberthermometer-Sammlung im Keller von Dick »The Thermometer Man« Porters Haus in Onset,

Weitere Kostenlose Bücher