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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Bier, und als Charley endlich aufhörte zu toben, standen die Straßen immer noch knietief unter Wasser, und die Töchter beschlossen unter Umgehung elterlicher Ratschläge ein Bad zu nehmen, was ein amerikanisches Fernsehteam gleich festhielt; eine pudelnasse Reporterin näherte sich kurz danach der Frau des Hauses, und ich vermutete, wir würden nun der mangelnden Sorgfaltspflicht angeklagt, aber die Reporterin sagte: »Ihre Kinder haben mir erzählt, dass sie aus Deutschland kommen und den Hurrikan viel interessanter finden als langweiligen deutschen Dauerregen.« Wir waren stolz auf die Töchter.
    Der Magnet für New Mexico erinnert uns an ausgedehntes Bummeln durch Santa Fes berühmte Galerien. Die Kunstwerke waren unfinanzierbar, aber eines, abstrakte Malerei, 5000 Dollar, gefiel uns ganz besonders, und der Inhaber schenkte uns ein Polaroid davon. Die Frau, pragmatisch wie immer, sprach zur jüngeren Tochter, »das kannst du auch«, und als wir wieder zu Hause waren, kopierte die jüngere Tochter die abstrakte Malerei für drei Dollar Herstellungskosten verblüffend gut. Es hängt seitdem im Wohnzimmer, und wir werden von Freunden oft darauf angesprochen, die die Episode gar nicht glauben mögen, aber hinter dem Bild pappt das Polaroid vom Original mit dem Preis drauf, und nun kopiert die Tochter für unsere Freunde alle möglichen abstrakten Malereien. Die Freunde bringen ein Foto vorbei, und schon fälscht die Kleine wie weiland Kujau, talentiertes Kind.
    Der Magnet für Colorado steht für Übelkeitsgefühle der kompletten Kleinfamilie, als wir den berühmten Pikes Peak mit dem geliehenen Dodge rauffuhren, was schon für den Dodge schwer genug war und uns in 4600 Meter Höhe einen Hauch von Höhenkrankheit bescherte. Ansonsten war Colorado aber ganz schön.
    Der Magnet für den Yellowstone Park steht für die erste Büffelsichtung in der Geschichte unserer Familie und für einen lang gezogenen Schrei der Frau, »da, da, da!«, die Büffel bis dahin nur in Steak-Form kannte.
    Viele Magneten kleben also an unserem Kühlschrank, und im Sommer des Jahres 2007, dem letzten Sommer in Amerika, kamen Töchter und Frau auf die Königsidee, dieses wunderschöne Land einmal komplett mit dem Auto zu durchqueren. Von New York bis nach Montana und wieder zurück; 16 Bundesstaaten, 9000 Kilometer. »Du wolltest den Kindern doch immer Stellen in Amerika zeigen, wohin sich zu Recht kein Tourist verirrt«, sagte die Frau. Ich wollte. Der Cross-Country-Trip war die einmalige Gelegenheit dazu. »Außerdem«, sagte sie, »haben wir dann kein Problem mit Flugzeugen und Flugangst, und wir sparen eine Menge Geld.« Beide Argumente zündeten beim Mann des Hauses, die Töchter waren begeistert, und schon machte sich die Frau an die Arbeit und arbeitete eine Route aus, die möglichst viele Magneten an den Kühlschrank bringen würde.
    Mir war zwar nicht ganz klar, warum unsere Tour ausgerechnet in Montana enden sollte und nicht in Oregon oder Washington State, jedenfalls irgendwo am Pazifik. Aber irgendwann rückte die Frau raus mit der Sprache. »In Montana«, sagte sie, »ruhen wir uns ein paar Tage auf einer Ranch aus.« Ich fragte: »Muss das sein? Ranch?«, denn Pferde und Cowboys und Rinder sind nicht unbedingt mein Faible, mit Ausnahme von »High Noon« halte ich auch Western für überflüssiges Filmwerk, und prinzipiell befürworte ich den Sinnspruch »Das größte Glück der Pferde ist der Reiter auf der Erde«. Ich stand auf ziemlich verlorenem Posten, allein gegen drei Frauen, die alle Pferde mögen. Die Frau wollte als Kind sogar Cowgirl werden und verdiente sich ihr Taschengeld mit Ausmisten von Pferdeställen in der irrigen Annahme, dadurch würde man Cowgirl. Wir einigten uns auf einen Kompromiss: Falls ein Abstecher nach Cleveland, Ohio, zur »Rock 'n' Roll Hall of Fame« in die Reise-Agenda aufgenommen würde, wäre sogar Ranch okay. Der Antrag wurde ohne Gegenstimme angenommen.
    Wir mieteten uns einen weißen Minivan, verstauten die Koffer und fuhren los. Nach nicht mal einer halben Stunde, noch im Bundesstaat New York, rief die ältere Tochter aus dem Fond: »Guckt mal, wie der Ort dort heißt!«. Auf dem Ortsschild stand zu unserer großen Freude Bushkill, und das war ein verheißungsvoller Auftakt unserer Reise. Wir besichtigten in Cleveland die »Rock 'n' Roll Hall of Fame«, fuhren hernach durch den Bundesstaat Indiana, den Cross Roads State, eine Art Belgien Amerikas. Sie haben dort eine Hall of Fame für

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