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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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ausbüchsten aus den Farmen, kein Zaun mehr weit und breit, und sich seitdem vermehren, wie nur Hühner und Kaninchen das können, chapeau.
    Unsere lieben Nachbarn David und Myra hatten uns vor dem Aufbruch zudem dringend geraten, mit dem Hubschrauber über Kauai zu fliegen, »unvergesslich«. Aber der Blick auf die Preise machte diesen Plan erst mal zunichte, bis uns an einem Abend ein dauerlächelnder Kauaianer ein Flugblatt in die Hand drückte, auf dem 50 Prozent Rabatt für einen Helikopterflug offeriert wurden, falls man sich nur einen zweistündigen Vortrag über »Time-Sharing-Objekte« anhören würde.
    Wir waren begeistert.
    Die Töchter weniger, aber da mussten sie durch. An einem frühen Samstagmorgen um halb elf trafen wir in einem Hotel auf den Makler Josh Roshkoff, der uns ein Premiumpaket andrehen wollte – »Sie zahlen nur 250 Dollar pro Monat und dürfen dafür zwei Wochen Urlaub machen.« Er zeigte die schönsten Appartements mit Blick aufs Meer, die Töchter waren nun begeistert, und er hörte auch nicht auf zu quatschen, als die Frau des Hauses nach eineinhalb Stunden mit der Wahrheit herausrückte. »Wir sind eigentlich nur hier, um die Ermäßigung für den Flug abzustauben.« Im Hintergrund gab es vereinzelte Beifallskundgebungen, und ein Kollege von Josh rief empathisch durch den Raum: »George aus Atlanta hat soeben das Premiumpaket gekauft.« Ich rettete mich ermattet auf die Herrentoilette und fragte dort meinen Nachbarn unter Brüdern, ob auch er hier sei wegen der satten Ermäßigung für den Hubschrauberflug. Er sagte: »Nein, ich bin George aus Atlanta, wir haben uns gerade das Premiumpaket gekauft.« Ich gratulierte George aus Atlanta, verließ rasch das Örtchen und drängte auf baldigen Abzug. Josh drückte uns ein Zertifikat in die Hand, und Stunden später standen wir am Heliport von Kauai. Unser Pilot Raymond war von der Sorte »Ich-bin-auch-schon-im-Krieg-geflogen«, trug Minipli und Schnäuzer und Flip-Flops und warnte, dass man den Mund während des Fluges nicht zu weit öffnen solle vor Staunen wegen akuter Sabbergefahr. Raymond flog in Krater und Täler, stoppte vor gewaltigen Wasserfällen, kurvte über weite Ebenen und um den Vulkanberg Wai'ale'ale, den regenreichsten Ort der Welt. Nach einer Stunde landete Raymond auf dem kleinen Flughafen von Lihue. Wir entstiegen sprachlos. Ein Huhn lief übers Rollfeld.
    Drei Wochen später lasen wir in der »New York Times«, dass sechs Leute bei einem Helikopter-Absturz auf Hawaii gestorben waren. Es war der letzte Sommer ohne Flugangst der älteren Tochter. Ein Jahr später nur hätten wir sie nicht mehr in einen Hubschrauber bekommen, was uns andererseits Geld und den Vortrag von Josh Roshkoff erspart hätte.
    Am Tag des Abschieds von Hawaii, 26 Grad, Sonne, leichter Wind wie seit fünf Millionen Jahren, schrieb die Lokalzeitung auf der Titelseite, dass die Strandwächter von Kauai den großen Strandwächter-Wettbewerb auf Oahu gewonnen hätten und nunmehr die dollsten Strandwächter von ganz Hawaii seien. Das war wichtig für Kauai. Wir freuten uns sehr für die Insel. Von George W. Bush stand wieder keine Zeile in der Zeitung. Aloha.
    Die Töchter des Hauses schrieben das Gästebuch voll. Sie schrieben viel über Tiere – von bunten Fischen im Meer wie Kihikihi, von leckeren Fischen im Bauch wie Mahi Mahi, von Geckos im Schlafzimmer, von Seelöwen am Strand. Und vor allem von den vielen Hühnern. Zum darauffolgenden Geburtstag schenkte mir die jüngere Tochter einen gelben Wecker, made in China. Seither werden wir von einem entsetzlich krähenden Hahn geweckt. »Remember«, sagt sie manchmal, »remember Kauai?«
    Andenken spielen auf unseren Reisen nämlich eine große Rolle. Die Frau sammelt Magneten mit Motiven der einzelnen Bundesstaaten, in denen wir Zeit verbrachten. Pures Durchfahren der Staaten qualifiziert noch nicht für einen Magneten, es sei denn, dass eine Pinkelpause drin war und wenigstens zwei Mitglieder der Kleinfamilie Erleichterung fanden. Auf die jüngere Tochter und den Mann ist diesbezüglich immer Verlass. Nur deshalb klebt jetzt auch Nebraska an unserem Kühlschrank.
    Es kamen einige Magneten zusammen, und viele Erinnerungen hängen an den Magneten. Der Magnet für South Carolina etwa steht für den Hurrikan »Charley«, den wir in Charleston erleben durften. Wir retteten uns in ein Restaurant. Draußen tobte Charley und setzte die Straßen knietief unter Wasser, drinnen saßen wir über Hamburgern und

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