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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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New York, als das Handy klingelte und die Frau, an sich eine Seele von Frau, tobte, sinngemäß: »Wenn du nicht soooofort nach Hause kommst, packe ich die Möbel gleich wieder ein.« Ich versuchte zu beschwichtigen, aber das machte alles nur schlimmer, denn sie sprach: »Die Kinder kamen kotzend aus der Schule, das Klo ist übergelaufen, das Wasser tropft durch die Decke und hat den Strom unterbrochen. Subito nach Haus! Oder…« Ich speichelte noch kleinlaut: »Ich verspreche, ab morgen bin ich dein Sklave!«, aber das hörte sie schon nicht mehr. Aufgelegt. Passend zur familiären Großwetterlage entlud sich ein gewaltiges Gewitter über New York.
    Das war am Tag vor dem Tag.
    Die Sonne schien am 11. September 2001, keine Wolke am Himmel, 30 Grad bereits am frühen Morgen, der ersehnte Regen hatte nicht die ersehnte Abkühlung gebracht. An jenem Morgen standen die Frau des Hauses und ihr Sklave in der Küche und räumten Gläser und Teller in Schränke und staunten über einen gewaltigen Bücherberg, den Richard, Samuel und Larry hinterlassen hatten, indem sie die Kartons mit den sorgsam sortierten Wälzern einfach ausgeschüttet hatten. Eine gewaltige Buchstaben-Suppe von A bis Z schwappte durchs Wohnzimmer, und die Frau war zeitweilig den Tränen nahe.
    Die Sonne fiel warm durch das Küchenfenster, wir hörten Radio, im Garten suchte »Bad Cat« nach Frühstück. Es war ein wundervoller Morgen bis ungefähr viertel vor neun. Im Radio sprachen sie über die Hitze, das wegen Unwetters schließlich abgesagte Baseball-Spiel der New York Yankees gegen den Erzrivalen Boston Red Sox, die für den Abend angesetzten Vorwahlen fürs Bürgermeisteramt und eine Praktikantin, die eine Affäre mit einem Kongress-Abgeordneten hatte und nun vermisst wurde. »Missing Chandra Levy« war bis dahin die Top-Geschichte des Sommers. »Missing« sollte in den folgenden Wochen das dominierende Wort New Yorks werden. »Missing«, mehrtausendfach.
    Dann, breaking News!!, eine Eil-Meldung: Rauch aus dem World Trade Center. »Sieht aus, als wäre ein Sportflugzeug hineingeflogen. Ich kann ein kleines Loch erkennen«, sagte der Verkehrsreporter aus einem Helikopter und versprach »we'll keep you posted«, wir halten Sie auf dem Laufenden. Von diesem Moment an war der Sklave wieder Journalist. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika saß zur selben Zeit in einer Grundschule in Sarasota, Florida, und blätterte in einem Kinderbuch, »The Pet Goat«.
    Ich kam um kurz nach zehn in Downtown an, als der Südturm gerade einstürzte und die Polizisten brüllten: »Laufen, laufen, laufen. Alle Richtung Norden, laufen«. Die Staubwolke war schneller. Das Gefühl für Zeit und Raum ging verloren, und irgendwann – wann auch immer – saß ich im Büro, und die Kollegen aus Deutschland riefen an und bestellten Geschichten, »Sonderausgabe!« Draußen rannten in Panik Tausende von Menschen die 42. Straße entlang, ich konnte ihre Schreie hören, weil irgendwelche Wahnsinnigen, Trittbrettfahrer des Horrors, drohten, den Bahnhof Grand Central Terminal in die Luft zu jagen. Unser Bürogebäude wurde evakuiert; es lag nur einen Block vom Grand Central entfernt exakt auf der anderen Straßenseite des Chrysler Buildings, und die Behörden fürchteten, dass …, aber wir ignorierten die Warnung und waren in den nächsten Tagen sehr einsam in unserem Hochhaus.
    Als der Abend kam, legte sich eine nie erlebte Stille über die Stadt. Kein Auto fuhr, kaum ein Bus, kein Hupen, nichts. Stille. Sie hatte etwas Gespenstisches. Die ersten Zahlen kursierten. Bis zu 30000 Tote, hieß es. Die Stunden vergingen im Zeitraffer, die Tage in Trance. Adrenalin, Koffein, Nikotin hielten den Körper aufrecht. Auf Ground Zero, Sperrgebiet, dampften die Trümmer, die Leute vom Roten Kreuz verteilten Atemschutzmasken an Helfer und Journalisten. Sie sagten: »Asbest.« Jahre später würden Tausende von Feuerwehrleuten, Freiwilligen und Arbeitern an Lungenkrankheiten leiden.
    Drei Tage später kam ich nach Hause zum Rasieren, Duschen und Wechseln der Klamotten, in denen feiner, weißer Staub hing und ein süßlich-fauliger Geruch. Unsere Nachbarn David und Myra schauten vorbei. Sie rechneten jeden Moment mit weiteren Angriffen, sie horteten Wasser, hoben Bargeld ab, betankten ihr Auto. David sagte: »Es ist Krieg«, und als sie gingen, sagten wir: »Manchmal spinnen sie, die Amis.« Und damit meinten wir damals nicht nur Bush.
    Die Töchter, zweite und vierte Klasse,

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