Stars & Stripes und Streifenhörnchen
ihn zu beruhigen, und sprachen: »Für den biologischen und atomaren und Milzbrand-Erreger-Notfall haben wir immer Whiskey im Haus.«
Wir halten das bis heute so. Gelegentlich ist mir nach Whiskey und der Frau des Hauses auch, aber das hat nichts mit Bin Laden zu tun und nur manchmal mit Bush, sondern meistens mit anderen Notfällen in der Villa Kunterbunt. Man lernt das deutsche Bauwesen und Handwerk sehr schätzen in Amerika. Ziemlich unangemeldet kam eines Tages, es war ein Sonntag, die Decke im Esszimmer herunter. Sie landete, platsch, auf dem Esszimmertisch und verschonte glücklicherweise die Bar mit den Whiskeyflaschen obendrauf. In der Decke war ein riesiges Loch, und der eilig verständigte Wochenend-Rund-um-die-Uhr-Notfall-Klempner der Firma Bruni & Campisi, nicht Dave!!!, sagte am Telefon, er werde in den nächsten Tagen mal vorbeischauen, was er drei Tage nach dem Deckensturz auch tat. Er hieß Gustavo, er kam mit einem großen weißen Van vorgefahren und machte ein sehr befugtes Gesicht, während er das Loch in der Decke und die Decke auf dem Tisch neben der Bar mit den Whiskeyflaschen obendrauf inspizierte. Er stand eine Weile da, rieb sich das Kinn und sagte dann: »Zu spät, kann man nichts machen.« Die Frau fragte Gustavo, was er nun zu tun gedenke und warum die Decke auf dem Boden liege, und er schüttelte den Kopf und sprach: »Feuchtigkeit wahrscheinlich«, was zweifelsfrei stimmte. Gustavo sagte, sein Cousin Alonso sei ein prima Deckenrestaurateur. Er verlangte 93 Dollar und verständigte Alonso, der tags darauf tatsächlich erschien, das Loch in der Decke und die Decke auf dem Boden betrachtete, »Feuchtigkeit wahrscheinlich« sprach und »drei Tage Austrocknen« verordnete. Er verlangte 93 Dollar, kam nach drei Tagen wieder, lud die Decke auf dem Boden auf seinen Laster, verschloss das Loch in der Decke mit ein paar Rigipsplatten, strich die weiß, verordnete »drei Tage Austrocknen« und verlangte 350 Dollar.
Vor einigen Monaten testete die Frau noch mal den Wassergehalt der Decke, und verewigte sich dort mit dem kleinen Finger. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann uns die Decke wieder auf den Kopf und hoffentlich neben die Whiskeyflaschen fällt.
Uns geht es vergleichsweise noch gut. Bei Freunden sprudelt seit Jahren ein unfreiwilliger Brunnen im Keller. Erst kamen Klempner, dann kamen Leute von der Stadt, dann kamen neue Klempner und neue Leute von der Stadt, und niemand, niemand, niemand kann bis heute schlüssig und flüssig erklären, warum in ihrem Keller ein Brunnen sprudelt. Er ist einfach da. Irgendwann haben sie eine Pumpe installiert, und das Sprudelwasser wird nunmehr abgepumpt in den Wasserkreislauf, bis es als Sprudelwasser wieder aus dem Brunnen springt und abgepumpt wird und wieder springt. Das ist ein schönes Schauspiel, und als unsere Freunde sich beschwerten, das könne doch keine Lösung sein, antwortete ein Mann von der Stadt: »Warum denn nicht?«
Und ihnen geht es vergleichsweise noch gut. Es kann Vorkommen, dass es in ganz Manhattan merkwürdig streng nach faulen Eiern stinkt und die Menschen pronto an Giftgas denken, und dann ist doch nur ein Rohr an der 34. Straße geplatzt oder drüben in New Jersey, was dort vermutlich weniger auffällt, weil der Bundesstaat inoffiziell wegen seiner vielen Raffinerien auch »the smelly state« genannt wird. Oder es kann Vorkommen, dass ein Wasserdampf-Rohr explodiert auf der Lexington Avenue und Dampf und Dreck 150 Meter hoch in die Luft schleudert und die Menschen pronto an den 11. September denken und dann ganz erleichtert sind, wenn sie hören, dass es nur ein geborstenes, morbides, 83 Jahre altes Rohr war. Es ist grundsätzlich ein prima Schauspiel, wenn geborstene Rohre repariert werden. Ich wurde selbst Zeuge eines mehrwöchigen Spektakels auf der 44. Straße in der Nähe vom Times Square auf Höhe unserer bevorzugten Tränke, »Jimmy's Corner«. Ein Trupp von Bauarbeitern rückte an, buddelte ein zwei Meter tiefes Loch und baute einen Holzverschlag um das Rohr. Sie hatten auch einen Bagger dabei, und der Baggerführer musste etwa alle halbe Stunde die Schaufel ins Loch mit dem kaputten Rohr bugsieren. Dann las er wieder Zeitung, und die Kundschaft von »Jimmy's Corner« amüsierte sich prächtig. Saj, ein befreundeter Kollege, vermutete, dass der Baggerführer fürs Zeitungslesen und Alle-halbe-Stunde-Schaufel-Betätigen mindestens 160 Dollar pro Stunde verdienen und damit seine Kinder nach Yale schicken würde. Nach
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