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Schule.
Ich drücke vorsichtig die Klinke runter und luge hinein. Keine Menschenseele. Und – husch – ist Malea Bond auch schon in den Raum mit den Geheimdokumenten eingedrungen! Gute Arbeit, Miss Bond!
Nun klopft mein Herz doch ein wenig lauter. Ob das etwa das blöde schlechte Gewissen ist?
Aber ich sage mir sehr bestimmt, dass ein schlechtes Gewissen hier total fehl am Platz ist. Schließlich tue ich niemandem weh, sondern tue eher was richtig Gutes. Für mich natürlich, meerwasserklar. Aber vor allem auch für andere.
Zum Beispiel erspare ich Cornelius einen Tobsuchtsanfall, den er ohne jeden Zweifel kriegen würde bei einer zweiten Fünf in meinem Zeugnis. Denn jeder weiß ja, dass Cornelius auf seinen Blutdruck achten muss. Aber tut er das? Nein! Er schreit und wütet und flucht, sobald er auch nur die klitzekleinste Möglichkeit dazu hat. Und die will ich ihm als gute Tochter natürlich gar nicht erst geben!
Und auch meiner allerliebsten Rema erspare ich ein schrecklich trauriges Gesicht. Schließlich hat sie so oft mit mir geübt und denkt bestimmt, es sei allein ihre Schuld, dass ich die Unterschiede zwischen Pippi der Rothaarigen und Karl dem Knallfrosch einfach nicht in meinen Kopf reinkriege. Arme, liebe Rema!
Iris (und nicht zuletzt auch mir selber) erspare ich die schlimmen Vorwürfe, die sie sich wie üblich machen würde. Von wegen schlechter Mutter und so. Dabei ist sie echt total prima.
Livi erspare ich die Schmach, eine Schwester zu haben, die sitzen geblieben ist. Livi ist ja so eine Streberin mit lauter Einsen im Zeugnis!
Und Tessa erspare ich, drei Monate lang mit einem Verband um ihre gebrochene und daher hässlich blutunterlaufene Nase rumzulaufen. Das wäre nämlich das Allerschlimmste für sie. (Bestimmt kann man auf Verbände auch nur sehr schwer Make-up platzieren.) Aber leider nicht zu vermeiden. Denn nach ihrem Satz »Haha – seht
ihr! Und ihr sagt immer, ICH sei schlecht in der Schule!«, ist mein fetter Faustschlag auf ihr gepudertes Näschen natürlich eine reine Reflexreaktion (so nennt man das, glaube ich).
Aber da ich weder meinen Schwestern noch meinen Eltern und schon gar nicht Remi irgendetwas Böses antun will, muss ich diese Sache hier jetzt rasch hinter mich bringen.
Ich hole tief und entschlossen Luft und gucke mich um. Beim klebrigen Meersalz, sieht das hier unordentlich aus! Wie bei Hempels unterm Sofa! , würde Iris sagen.
(Was ich mich übrigens schon immer gefragt habe: Wer oder was sind eigentlich die Hempels? Und wie sieht es bei denen unterm Sofa eigentlich aus?)
Von Aufräumen scheinen Lehrer jedenfalls nicht viel zu halten. Herumfliegende Zettel, Bücher, Frühstücksdosen … fröhliches Chaos auf allen Tischen. Aber uns bereits bei der klitzekleinsten vergammelten Bananenschale auf ihrem Lehrerstuhl anmeckern! Tzzz!
Ob ich hier das, was ich finden muss, überhaupt finden werde? Ich gehe schnell rüber zu den Fächern der einzelnen Lehrer. Ob Frau Heinzig das Arbeitsblatt in ihrem Fach aufhebt? Oder in ihrer Aktentasche?
Ich gucke nach unten zwischen die Tische. Oh je, da stehen eine Menge Taschen. Das wird endlos dauern, die alle zu durchsuchen. Gut, dass wenigstens die Lehrerfächer fein säuberlich beschriftet sind.
Herr Osterborn … Frau Nagemut … Frau Hinrichs … Mann, geht das hier überhaupt nicht nach Alphabet? Ich sag’s ja, Lehrerzimmer sind das reine Chaos! Frau Meyer-Buchsbaum … Herr Persson … Herr Blank … Frau Heinzig…
Ah, Frau Heinzig! Wunderbar! Und total voll ist das Fach auch.
Nun muss ich nur noch den richtigen Zettel finden, rüberhuschen zum Kopierer da vorne, das Ding einmal schnell ablichten, in meine Hosentasche stecken, das Original wieder zurück in Frau Heinzigs Fach legen … und dann kann ich mir in aller Ruhe heute Abend zu Hause schööön die Antworten auf Frau Heinzigs komische Ehe- oder Königs- oder sonst welche Mittelalterfragen überlegen. Babyeierleicht !, wie Kenny sagen würde.
Hastig nehme ich den dicken Stapel Papiere aus Frau Heinzigs Fach und blättere ihn vorsichtig durch. Großer Meergott, das sind tatsächlich jede Menge Arbeitsblätter! Ein dicker, fetter Stapel Arbeitsblätter!
Ich lese mir nur die obersten Zeilen durch. Arbeit von Donnerstag, 7. Januar, Klasse 5a. Arbeit von Montag, 11. Januar, Klasse 10c. Arbeit von … Holla, wenn ich diese Dinger bei uns in der Schule in Umlauf brächte …
Einen Moment wird mir ganz schwindelig vor Verlockung. So müssen sich Juwelendiebe
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