Startschuss
fehlen.«
»Genauso sehe ich es auch«, lachte Lennart zurück. Im nächsten Moment hatte er eines der Laufshirts auf dem Kopf.
Michael hatte es ihm zugeworfen. »Hier, kleinere gibt’s nicht, du Spargel!«
Im Vergleich zu Michael sah Lennart wirklich ein bisschen so aus. Er war lang und schmal und ungeheuer flink und wendig. Michael
hingegen war fasteinen Kopf größer als Lennart, breit, stämmig und muskulös. Ein echter Athlet, der niemandem zu sagen brauchte, dass er ein
Zehnkämpfer war. Man sah es ihm an.
Dabei störte es ihn nicht einmal, dass es Zehnkampf für Zwölfjährige noch gar nicht gab. Meist fanden nur irgendwelche Mehrkämpfe
mit unterschiedlichen Disziplinen statt. Michael aber fühlte sich als Zehnkämpfer und trainierte entsprechend alle Disziplinen.
Basta. Mehr noch: Im Vorfeld dieser Mini-Olympiade hatte er so lange diskutiert, bis er sich endlich durchgesetzt hatte. Erstmalig
fand in diesem Jahr ein Zehnkampf für Zwölfjährige statt.
Von einigen Jungs aus den anderen Schulen hatte er freudige Dankes-Mails erhalten, weil auch sie schon lange Zehnkampf machen
wollten, aber nie durften. Sogar Tom vom Grünheim-Gymnasium – in zahlreichen Sportwettkämpfen Michaels größter Rivale – hatte
sich bei ihm bedankt; und natürlich gleichzeitig angekündigt, dass er Michael im Zehnkampf schlagen werde.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Frau Kick Michael. Erst jetzt hatte sie Michaels eiverschmierten Kopf gesehen.
»Er ist eben ein Eierkopf!«, lachte Lennart.
Michael zog mit seinem neuen Shirt auf die Jungentoilette ab, um sich am Waschbecken erst einmal notdürftig das klebrige Ei
aus den Haaren zu waschen, bevor er sich umzog.
»Und? Wie sehe ich aus?«, fragte Jabali in die Runde. Das Shirt strahlte im Kontrast zu seiner dunklen Haut besonders weiß
und verlieh dem Dress eine edle Eleganz.
»Wie aus der Waschmittelwerbung«, fand Michael.
»Der schwarze Riese!«, scherzte Lennart. Und auch das stimmte. Wenn sie im Unterricht nebeneinandersaßen, dann war Jabali
eigentlich auch nicht größer als Michael, aber wenn er stand, überragte er ihn um einige Zentimeter. Jabali hatte einfach
unendlich lange Beine. Gepaart mit der Ausdauer eines Zugvogels machten sie ihn zum idealen Langstreckenläufer. Um seine dunkle
Haut wurde er sehr von Ilka beneidet. Ilka war rothaarig und sommersprossig, und das hieß: außerordentlich sonnenempfindlich.
Im Sommer einmal zur Schule und zurück ohne Sonnenschutzcreme mit Lichtschutzfaktor 36 und schon hatte sie einen Sonnenbrand,
behauptete Ilka immer. Für eine Schwimmerin wie sie, die im Sommer jede freieMinute im Schwimmbad verbrachte, konnte es keinen schlimmeren Fluch geben.
Jabali hüpfte schon wieder von einem Bein aufs andere wie ein Flummi. Er konnte es gar nicht abwarten, das neue schicke Trikot
in der Praxis auszuprobieren.
Seinen Mitschülern erging es nicht anders. Frau Kick konnte ihre Schüler nicht länger zurückhalten. Und sie wollte es auch
gar nicht.
»Na, dann los«, rief sie in die Klasse. »Wer sein Trikot hat, geht bitte raus auf den Sportplatz – zum Fotografen für unsere
Jahreschronik!«
Unter lautem Gebrüll rannten die Schüler hinaus.
Start der Mini-Olympiade
Endlich war es so weit! Die Mini-Olympiade der Schule begann. Das kleine Stadion des Stadtteilvereins direkt neben der Schule
war bis auf den letzten Platz besetzt. 8000 Besucher!
Aber Ilka hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ein einziges Mal ins Stadionrund zu gehen, um die grandiose Kulisse zu bewundern.
Sie stand vorm Stadion an einem der Stände und hatte noch alle Hände voll zu tun, ganze Berge von Müll wegzuräumen. Jeder
der teilnehmenden Schüler hatte zur Begrüßung einen kleinen Stoffbeutel bekommen, in dem ein Fitnessriegel, ein Getränk, ein
Begrüßungsschreiben, der Wettkampfplan und noch einige weitere Kleinigkeiten als Präsente verpackt waren. Insgesamt 1000 Beutel hatten sie verteilt.
Das allein wäre noch nicht so schlimm gewesen. Aber irgendjemand in dem Vorbereitungskomitee war auf die Idee gekommen, die
Teilnehmer zusätzlichmit einem belegten Brötchen zu begrüßen. Einem Ei-Brötchen.
Am Morgen hatten die Kinder in aller Frühe zusammen mit einigen Eltern also ein paar Hundert Eier gekocht, abgeschreckt, gepellt,
geschnitten, auf die Brötchen gelegt, eingewickelt und verteilt. Ein Großteil der Eireste lag nun verstreut rund um die Tapeziertische
herum, die als
Weitere Kostenlose Bücher