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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Unkraut nieder. Danach wieder Stille, das metallische Ratschen des Magazinwechsels, schließlich kaum hörbare Schritte. In der engen Gitterbox, die wie eine Kanzel seitwärts aus der Kranplattform ragte, erschien die Silhouette eines Mannes. Früher kontrollierte von dort oben vermutlich ein Arbeiter die Transportbänder, die vom Kai zur Fabrik liefen. Vincent sah zu, wie der Mann sich vorbeugte, mit der Waffe das Terrain abstrich, dann über das Geländer stieg, um hinüber aufs Förderband zu springen. Als er mit einem Fuß drüben war, bereit, sich von der Kanzel abzustoßen, schoss Vincent in seine Beine. Im Wegdrehen sah er, wie der Wachtposten fiel, schob das Gewehr ins Wasser und schwamm parallel zum Kai auf das kiesige Ufer zu.   
    Jetzt waren seine Gegner nur noch zu viert, und die Probleme des Anführers wuchsen. Die Autos standen auf platten Hinterrädern, vier Tote lagen in der Fabrikha lle, ein Verletzter auf dem Beton des Anlegers. Wenn ihm niemand weitere Ersatzreifen brachte, konnte Wolf nur noch einen Wagen bewegen. Für die Reifenwechsel brauchte er zwei Männer des Teams, er selbst und ein Weiterer mussten ihnen Deckung geben. Mehr Leute gab es nicht, die Suche nach Vincent und den Mädchen war vorerst gelaufen.
    Aber vermutlich hatte Wolf längst telefoniert. Vielleicht nahm das Leichenschiff vom gestrigen Abend wieder Kurs auf die Ruine, vielleicht rollte schon Verstärkung an. Vincent robbte ans Ufer, setzte sich in den Schatten einer schief gewachsenen Tamarinde und holte Atem. Drüben bei den Kränen beugte sich eine Gestalt über den Verletzten am Boden, griff unter seine Achseln und zog ihn ins angrenzende Gebäude. Nach einer Weile huschten zwei Schatten zu den Fahrzeugen und machten sich an den Heckklappen zu schaffen. Jetzt waren alle da, wo sie sein sollten. Zeit für das Finale.
    Wenn ein Team keine Geländekenntnis und wenig Vorbereitungszeit hatte, fand es auf dem Areal dieser alten Fabrik, trotz ihrer riesigen Ausmaße, nur wenige akze ptable Unterstände. Vincent kannte das aus dem Krieg, die legalen und illegalen Kampftrupps hockten immer in den gleichen Nestern. Das beliebteste war die Betonbaracke, in der Wolf mit seinen Leuten jetzt steckte. Drei oder vier verwahrloste Räume, aber mit Blick auf den Kai und die Innenhöfe, einstöckig, bis auf die Fliesen ausgeplünderte Toiletten und Duschen, das Ganze früher der Arbeitsplatz von Werkstechnikern.
    Vincent hatte außer der Pistole noch zwei Handgranaten dabei; seine nasse Kle idung fühlte sich inzwischen an, wie ein medizinischer Wickel. Zehn Minuten später kniete er unter der Bodenplatte eines runden Metallsilos, der von weitem aussah, als hätte der Fabrikdirektor einen Swimmingpool auf Stelzen in sein Königreich gesetzt. Keine zwanzig Meter bis zu Onkel Wolfs Hütte. Vincent warf die erste Granate über das Dach der Baracke hinweg ungefähr dahin, wo die Geländewagen standen, die zweite durch das nächstgelegene Fenster in Wolfs Hauptquartier und zog sich zurück. Der Krach war beachtlich. Ein Mann stürzte aus der qualmenden Höhle und schoss mit einer Halbautomatik um sich. Vincent versuchte ihn mit der Pistole zu erledigen, traf aber nur seine Schulter. Als der Mann die Waffe fallen ließ und sich zurückzog, sah Vincent für einen Augenblick sein Gesicht. Es war der Blonde, der ihn damals in Makarska mit der Digicam hereingelegt hatte. Zu gefährlich, sich jetzt weiter mit ihm zu befassen.
    Vincent trabte durch das Labyrinth der Fabrikhalle zurück in sicheres Gelände. Kurz darauf lagen die beiden arglosen Touristen aus Frankreich sauber verschnürt auf ihren Betten. Er griff nach seinem Handy. Endlich hatte er den Rücken frei, um die Mädchen weit aus der Kampfzone zu bringen.
     
    Rea lehnte sich an ihn. „Ich weiß gar nichts von meiner Oma, erzähl doch mal, wie war sie?“
    „Ziemlich selbstständige Frau. Kaum hatte mein Vater sie geschwängert, ve rschwand er schon wieder nach Kuba. Das hat sie nicht weiter gestört, sie hat mich allein groß gezogen.“
    „Erzähl irgendwas von ihr. Bitte.“
    Vincent starrte auf die Strasse. Dachte an das Bild auf der Kommode, das blonde Mädchen und der große schwarzhaarige Mann neben ihr, seine Eltern. Dachte an ihr resolutes Temperament und ihre Spottlust, mit der sie Zärtlichkeit verbarg. Was gab es da zu erzählen?
    „Ich habe früher gerudert“ fing er an, „und hatte mir mal beim Training eine Art Typhus eingefangen. Vermutlich die rohe Milch, meinte der

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