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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Arzt. Jedenfalls lag ich drei Wochen völlig isoliert im Krankenhaus. Dabei war ich nach zwei Tagen wieder fit.“
    „Medizinische Einzelhaft“, sagte Jelena
    „Zum Verrücktwerden. Das Zimmer lag im zweiten Stock, wenn jemand dich besuchte, stand der unten im Garten und du oben am Fenster. Wie im Knast.
    Eines Tages stand meine Mutter unten und weinte ohne Ende. Sie hatte schon länger eine ähnliche Krankheit im Körper und war kreuzunglücklich, weil sie mich vielleicht angesteckt hatte.“
    „Und du?“
    „Was heult sie, dachte ich damals. Ist eh passiert und sie kann nichts dazu. Mir war peinlich, wie sie da unten stand und weinte. Ich habe ihr zugerufen, sie soll aufhören, hab sie aber nicht trösten können. Ich wusste ja gar nicht, wie Trösten geht. Ich hätte sie ab und zu in den Arm nehmen sollen. Aber einfache Leuten machten so was damals nicht. Heute umarmt jeder jeden. Ich war einfach zu blöd, ihr zu zeigen, dass ich sie liebte. Aber vielleicht wusste sie es. Kurz danach ist sie gestorben. Krebs.“
    Die beiden schwiegen. Warum hatte er diese triste Geschichte erzählt? Vermu tlich steckten ihm noch die letzten Stunden in den Knochen. Aber es war schon absurd. Später hatten ihm die Ausbilder das fachgerechte Trösten, Umarmen und Zuhören wie ein Handwerk beigebracht. Gefühle als Routinejob, bis auf die Stunden mit Katja.
    „Du duftest nach Meer“, sagte Rea.
    „Schön, wenn es nur der Duft wäre.“
    Er folgte weiter der kurvigen Strasse, es war nicht mehr weit bis Split. Eigentlich ein Grund zum Aufatmen. Doch was hatten die Kerle gemeint, als sie ihn Verräter und Überläufer nannten? Den Jargon kannte er von früher, aber die Mauer lag seit zehn Ja hren flach, und die alten Kader dämmerten im Schattenreich ihrer Erinnerungen dahin.
    Vielleicht nicht alle.  

41
     
    „Wartet hier auf mich, ich bin in zehn Minuten zurück. Bestellt euch schon ein Sandwich.“
    Es war früher Morgen, Split wachte langsam auf. In den Cafes am Fährhafen rieben verschlafene Kellner die Theken blank. Vereinzelte Frühaufsteher hingen hinter ihrer Morgenze itung, Rucksacktouristen, die irgendwo im Freien übernachtet hatten, rieben die Hände an heißen Kaffeebechern. Aus dem offenen Hinterteil einer Inselfähre trotteten die ersten Pendler stadteinwärts.
    Rea und Jelena schoben sich einen Ecktisch zurecht und winkten Vincent zu. Er klette rte wieder in das Wohnmobil, fuhr den Pier entlang, am Busbahnhof vorbei, hoch zu der engen Brücke am Ende des Sackbahnhofs und folgte dann der Strasse in die nächste Bucht. Wie immer hockten ein paar alte Männer auf den Bänken am Bacvice Strand und warteten auf morgendliche Pizzigin Spieler oder naive Gegner für ein schnelles Räuberschach. Vincent bog auf den Parkstreifen oberhalb des alten Freilichtkinos ein und stellte den Motor ab.
    Die Augen seiner beiden Geiseln wurden groß, als er verdreckt und übernächtigt zu i hnen nach hinten kletterte.
    „Keine Angst“, sagte er, schnitt die Kabelbinder um ihre Füße auf und half i hnen, sich hinzusetzen. „So laufe ich immer herum, wenn ich nicht ins Büro muss.“
    Der Witz warf sie nicht gerade um. Madame zog die Mundwinkel herunter, Monsieur starrte verbockt auf den Boden.
    „Die letzten Stunden ging es drunter und drüber“, sagte Vincent, „meine Tochter und ihre Freundin wurden von Gangstern entführt. Ich habe sie frei bekommen, aber ganz unblutig ist es nicht verlaufen. Ich hatte keine Wahl, die Mädchen mussten sofort aus der Kampfzone. Es tut mir leid.“
    Die Miene der Frau entspannte sich, der Mann wusste nicht so recht. Vermutlich wur mte ihn mehr als alles andere, wie mühelos man ihm zusammen mit seinem Wagen auch seinen Stolz wegnehmen konnte. Aber für solche Fälle gab es ja Geld. Vincent zog sein Dollarbündel heraus und schob weitere Scheine unter die Zuckerdose. Nun galt ihre Aufmerksamkeit dem Tisch.
    „Wir sind hier in Split“, Vincent nahm ein Messer aus der Küchenschublade und legte es auf den Tisch, „ich gehe jetzt. Sie haben heute einige Leben gerettet. Danke.“
    Erleichterung, man sah es ihnen an. Er hätte ja auch ein Perverser sein können.
    „Geht es Ihrer Tochter gut?“ Die Frau fasste sich zuerst.
    „Äußerlich ja, aber bei Entführungen offenbart sich vieles erst später. Haben sie Kinder?“
    Sie nickte. „Zwei Söhne.“
    „Ich hoffe, Sie müssen niemals das durchmachen, was ich in den letzten drei Tagen erlebt habe.“ Damit hatte er sie auf seiner Seite, und

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