Staub Im Paradies
löchert Lakmini in Sachen Rezepte für all die Speisen, die wir in den letzten Stunden genießen durften. Und Per hängt satt und zufrieden in den bequemen Kissen und betrachtet schweigend die leere Bierflasche in seiner Hand. Vermutlich sinniert er darüber, wie er am einfachsten in den Besitz einer weiteren vollen gelangen könnte.
Ein italienischer Espresso, das wär’s jetzt, überlege ich.
Aber so gastfreundlich Verasinghes auch sind – starken Kaffee führen sie wohl nicht. Ich frage gar nicht erst danach, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen.
Stattdessen höre ich erneut ein drohendes Rumpeln in meinen Eingeweiden und betrachte gedankenverloren meinen Teller. Er ist zwischenzeitlich leer gegessen – wider jegliche Vernunft.
»Willst du wirklich nicht mit nach Kandy?«, wendet sich Anna unverhofft an mich. »Die Stadt ist lebendig und farbenfroh, die Tempelanlage wirklich beeindruckend. Der Zahn des Religionsstifters Siddharta Gautama ist die heiligste buddhistische Reliquie des Landes, den sollte man eigentlich gesehen haben, Papa.«
»Wenn ich mir alte Zähne ansehen will, kann ich mir auch deine Milchzähne anschauen, die sicher noch in irgendeinem Schächtelchen bei uns im Keller liegen«, entgegne ich ihr. »Im Ernst: Du weißt doch, dass ich die Reise nicht richtig genießen könnte mit dem steten Gedanken im Hinterkopf, dass ich mich eigentlich um anderes kümmern müsste. Ich kann doch eventuell später noch nachkommen.«
»So schnell bist du wirklich nicht mehr in diesem Land«, erhält Anna Unterstützung von ihrem Halbbruder Per. »Du solltest die Gelegenheit nutzen, wenigstens ein paar Sehenswürdigkeiten zu genießen!«
»Seit wann stehst du denn auf Sehenswürdigkeiten, Sohn?«, höhne ich.
»Du neigst dazu, mich zu unterschätzen, Papa. Mein Horizont geht weit über meinen Beruf hinaus.«
»Beruf?«, wundere ich mich.
»Ach, lasst ihn doch«, kommt mir Leonie überraschend zu Hilfe. »Ihr kennt euren Meister doch, er ist halt nun mal mit Leib und Seele Polizist!«
»Ist ja okay«, gähnt Per.
Bevor er weiterreden kann, schrillt mein Natel plötzlich erneut. Ich Trottel habe vergessen, es nach Strichs Anruf auszuschalten.
»Seht ihr, er kann wirklich nicht anders«, spöttelt Leonie.
Ich ziehe das Gerät aus meiner Hosentasche.
»Staub im Urlaub!«, melde ich mich.
»Fredy, ich bin’s. Sorry, dass ich dich störe«, vernehme ich Michael aus Zürich. »Aber ich muss dich dringend über die aktuelle Entwicklung in unserem Fall informieren, bevor du die Familie dieses Rexon Nadesapilay besuchst.«
»Schon gut«, gebe ich mich großmütig. »Erst mal vielen Dank für den Bericht aus der Ballistik. Strich hat mir das Wichtigste bereits durchgegeben.«
»Keine Ursache. Hoffentlich hilft es dir irgendwie. Ich habe das Gutachten bereits nach Deutschland weitergeleitet und gefragt, ob dort zufällig ein solches Gewehr vermisst wird. Allerdings glaube ich kaum, dass dabei viel herauskommen wird.«
»Mal sehen. Zumindest bringt uns das Gewehr auf neue Ideen«, sage ich und erkundige mich dann, was es in Zürich Neues gibt.
»Der erstochene Rexon ist nach Zürich gereist, um eine Zwangsheirat zu verhindern«, erzählt Michael. »Das Mädchen, das er liebt, sollte offenbar einem Thalwiler Tamilen zugeschanzt werden. Rexon reiste mit zwanzigtausend Dollar in bar in die Schweiz, um dessen Familie zur Besinnung zu bringen.«
»Oha!«
»Das Geld sollte er am Sonntagabend in Thalwil persönlich übergeben. Doch dort ist er aber nie angekommen. Das schwört nicht nur das Familienoberhaupt, das er bestechen wollte, sondern es hat ihn auch sonst kein Mensch dort gesehen.«
»Das Geld wurde ihm abgenommen?«
»Es sieht so aus. Laut dem Portier des Hotels Leoneck, wo der Ermordete wohnte, ließ er sich am frühen Abend den Tresor öffnen und entnahm ihm ein dickes Kuvert. Wir vermuten, dass sich darin das Geld befand. Gefunden haben wir es bisher nirgends.«
»Wohin ging er mit den Dollars?«, hake ich nach.
»Das wissen wir noch nicht. Bis jetzt ist nur klar, dass er das Hotel um sechs verließ und seine Leiche morgens um fünf hinter dem Kino Riff Raff gefunden wurde. Erstochen wurde er aber definitiv nicht dort. Wo, ist uns leider ebenfalls unbekannt.«
»Gibt es Verdächtige?«
»Dutzende«, seufzt Michael. »Die Geschichte des geplanten Freikaufs sickerte scheinbar tief in die Tamilenszene ein. So wortkarg sie sich uns gegenüber geben, so geschwätzig sind sie offenbar
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