Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
Vom Netzwerk:
untereinander.«
    »Soll ich Rexons Familie trotzdem noch einen Besuch abstatten?«, will ich wissen.
    »Wenn du die Zeit findest? Uns interessiert vor allem die junge Frau, um die sich die ganze Geschichte dreht. Vidya Talimpalam heißt sie, ich gebe dir ihren Namen nachher per SMS durch.«
    »Okay«, sage ich. »Ich wollte morgen sowieso in diese Gegend. Wissen die Leute dort schon von dem Todesfall?«
    »Rexons Verwandte wurden von der örtlichen Polizei informiert.«
    »Na, immerhin«, sage ich. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    »Und bei euch? Kommt ihr denn voran?«, will Michael wissen.
    »Bis Sonntag werden wir wohl kaum am Ziel sein«, meine ich düster.
    »Du wirst deine Kommandantenstelle aber wohl antreten nächsten Montag, oder?«
    Ich lasse seine Frage unbeantwortet.
    »Fredy!«, nimmt er mich ins Gebet. »Regierungsrat Jucker, die Fraktionsvorsitzenden der Kantonalparteien und sämtliche Abteilungsleiter und Kader erwarten dich um acht Uhr dreißig in unserem Presseraum, um dir zum Amtsantritt das Pfötchen zu schütteln! Sie werden dich kreuzigen, wenn du nicht auftauchst!«
    »Ich weiß, ich weiß«, nörgle ich.
    »Also, dann bis Montag«, verabschiedet sich Michael mahnend. »Und vermassle diesen Termin bloß nicht! Ich melde mich wieder.«
    »Bis bald«, sage ich und drücke die Austaste.
    Das fehlt mir gerade noch: An meinem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub mit Jetlag und von Malariamitteln bleierner Birne in die selbstzufriedenen Fratzen unserer Politprominenz zu lächeln!
    Da esse ich lieber noch etwas von diesem Curryhuhn. Auch auf die Gefahr hin, dass mir dabei der Dünndarm reißt.

Mario langweilt sich
    Einmal mehr saßen sie an den schäbigen Pulten in ihrem drögen Sitzungssaal. Wie viele Stunden seines Lebens hatte er schon in diesem trostlosen Raum verbracht, dessen einziger Schmuck aus ein paar nackten Glühbirnen, einigen vergilbten Fahndungsplakaten und einem großen Rauchverbotsschild bestand? Mario vermutete, dass die Zahl in die Tausende ging.
    Michael war gerade dabei, auf einer Tafel die wenigen Fakten, über die sie in ihrem aktuellen Fall verfügten, in einem Schaubild in Beziehung zueinander zu setzen. Neben ihm entflammte der alte Häberli eine seiner stinkenden Gauloises.
    »Was wissen wir mit Sicherheit?«, fragte Michael in die Runde. »Was wissen wir mit großer Wahrscheinlichkeit? Was vermuten wir?«
    »Vor neunzehn Tagen kam Rexon Nadesapilay mit einer Maschine der Emirates über Dubai in die Schweiz. Er stieg im Hotel Leoneck ab und nahm Kontakt zu ortsansässigen Tamilen, insbesondere zu der Familie Uruthiramoorthy auf«, begann Gret. »Er rief sie nachweislich drei Mal zu Hause in Thalwil an und traf den Familienvater dann in der Seerose. «
    Michael kritzelte etwas auf die Tafel. Mario machte sich gar nicht erst die Mühe hinzusehen.
    »Am Sonntagabend vor einer Woche besuchte er im Riff Raff einen Filmnachmittag, ließ sich später an der Rezeption seines Hotels ein Kuvert aus dem Hoteltresor geben und verschwand«, fuhr Gret fort. »Nachts um fünf fand ein Anwohner seine Leiche im Hinterhof des Kinos.«
    »Okay. Und weiter?«
    »Wir fahren in die Seerose, weil wir in Rexons Zimmer eine Visitenkarte dieses Lokals finden, und zeigen das Foto des Ermordeten vor.«
    Grets und Michaels Worte wirkten auf Mario wie Baldrian, bis der Redefluss plötzlich verstummte.
    »Mario?«
    »Ja?«
    Er riss sich aus seinem Dämmerzustand und bemerkte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Wovon war zuletzt bloß die Rede gewesen?
    »Wir verfolgten den Mann und er krachte in eine Asphaltiermaschine«, orakelte er ins Blaue.
    »Ob die Einvernahme von Mutter Uruthiramoorthy etwas gebracht hat, habe ich gefragt«, sagte Michael unwillig.
    »Äh, nein«, stotterte er. »Sie macht wohl wirklich nur den Haushalt.«
    Michael ließ es stirnrunzelnd dabei bewenden.
    »Die jüngere Tochter der Uruthiramoorthys erzählte mir gestern, dass Rexon offenbar ein tamilisches Mädchen freikaufen wollte, das dem verunfallten Lathan versprochen war«, ergriff stattdessen Gret wieder das Wort.
    »Sind wir sicher, dass die Kleine uns die Wahrheit sagte?«, äußerte sich Häberli unverhofft. »Oder gefiel uns einfach, was sie erzählte?«
    Der Rest der Truppe betrachtete den alten Mann verwundert. Er trug heute eine hellbraune wollene Strickjacke über einem rot-grau-blau gemusterten Baumwollhemd und drückte wie zur Betonung seiner Bemerkung die Gauloise in seinen Fingern in den Aschenbecher.

Weitere Kostenlose Bücher