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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
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schwach. Leonie, Per und Adrienne haben ihre Reise nach Kandy vorerst storniert und sind mit Tschaggat zu irgendeinem nahe gelegenen Wasserfall gefahren. Hoffentlich werden sie nicht von Krokodilen attackiert. Und ich nicht von dem Gecko angefallen, der über mir an der Decke klebt und mich beaugapfelt wie einen im Todeskampf zappelnden Käfer. Das blöde Vieh nervt mich heute besonders – wie alles andere auch.
    Ich schließe die Augen und versuche zu schlafen.
    Aber mir geistert der Fall Rainer Schütz unentwegt durch mein angeschlagenes Hirn. Wir wissen nach wie vor gar nichts, stelle ich fest. Annas Kollege wurde auf offener Straße mit einem G22 erschossen. Außerdem spielte er mit diversen Leuten Schach. Na und? Motiv schleierhaft. Täter unbekannt. Faktenlage bescheiden. Fortschritte in galaktischer Ferne. Ein paar Gerüchte, sonst nichts: Schütz’ Laptop soll verschwunden sein, der Mann selbst ein gutes Gedächtnis und Sympathien für den Befreiungskampf der Tamilen gehabt haben. Warum aber spielte er dann mit einem srilankischen General wie Premadasa Schach?
    Ich spüre eine neue Übelkeitswelle heranrollen. Herrgott noch mal, was soll ich denn noch alles erbrechen? Viel kann wirklich nicht mehr in mir sein!
    Anna kommt wie versprochen und greift sich den Plastikkübel, um ihn in der Toilette auszuleeren.
    »Nimm jetzt endlich diese Tabletten«, fordert sie mich auf, als sie zurückkommt.
    »Nein«, gebe ich mich stur. »Ich hasse Tabletten!«
    »Willst du in Pelmadulla im Spital enden?«, fragt sie mich. »Nun, von mir aus! Vielleicht ist das Bett neben Jürg Deiss ja wieder frei.«
    »Na schön«, resigniere ich. »Gib her!«
    Ich spüle die Pillen mit einem Schluck Tee hinunter und deute vielsagend auf den Gecko an der Decke.
    »Ein Hemidactylus brookii parvimaculatus«, erklärt sie. »Eine Unterart des Afrikanischen Hausgeckos.«
    »Habt ihr mich etwa nach Afrika gekarrt, ohne dass ich es bemerkt hätte?«, unke ich.
    »Unterarten des Afrikanischen Hausgeckos gibt’s an ganz unterschiedlichen Orten der Welt, Papa. Hier zum Beispiel, aber auch in Mittelamerika.«
    »Wie schön.«
    Nach einer Weile erkundige ich mich, wie es denn Jürg Deiss eigentlich geht.
    »Besser, er ist inzwischen transportfähig. Die Rega wird ihn in den nächsten Tagen in die Schweiz ausfliegen.«
    »Scheiße, Anna, ich fühle mich wirklich schlecht.«
    »Tut mir wirklich leid, Papa«, umarmt sie mich tröstend. »Magenprobleme sind sehr unangenehm. Ich weiß das, denn ich habe mir auch schon Salmonellen und Lamblien eingefangen. Aber lebensgefährlich ist das alles nicht. Außerdem bist du von medizinischen Fachkräften geradezu umzingelt.«
    »Von Mückendoktoren«, wende ich ein.
    »Tschaggat ist Tropenmediziner, einer der besten!«, erinnert sie mich mit Nachdruck.
    In diesem Moment klopft es an die Tür. Noch bevor wir reagieren können, drückt sich auch schon Hugentobler in das Zimmer.
    »Muss ich jetzt auch noch einen Gentest machen?«, frage ich ihn emotionslos.
    Er betrachtet mich entgeistert. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Nur so«, sage ich. »Ich bin vermutlich nicht mehr ganz bei Sinnen.«
    »Die Rebellen sollen versucht haben, mit Schnellbooten den Hafen von Colombo anzugreifen«, labert er ungefragt auf Anna und mich ein. »So wie sie es im Herbst mit jenem in Galle getan haben. Die sri-lankische Marine konnte sie erst im letzten Moment stoppen.«
    »Ich bin krank«, versuche ich ihn zu verjagen.
    »Sagen Ihnen die Herren Premadasa und Müller etwas, Herr Staub?«, überhört er mein Jammern geflissentlich.
    »Schachpartner von Schütz«, informiere ich ihn.
    »Das ist schon klar«, meint er zerstreut.
    Ich wundere mich. Weiß Hugentobler mehr als ich? Und was genau will er von mir? Aber bevor ich mir weitere Gedanken machen kann, wird mir schwarz vor Augen.
    Hoffentlich helfen Annas Tabletten wirklich. Ich muss wieder auf die Beine kommen, denn ich will zu diesem Müller. Und zwar möglichst schnell.

Mario kann auch nichts dafür
    Die Siebzigerjahre-Wohnblocks oberhalb des Bahnhofs wirkten in dem diffusen Licht des dunklen Hochnebeltages abweisend und wie von grauer Watte umgeben. In der Ferne ratterte dumpf ein Presslufthammer, es roch nach Red Bull und Moder.
    Thalwil mag seine schönen Seiten haben, dachte Mario, im Sommer vielleicht, und in Eigentumswohnungen mit Seeblick. Aber die Gegend hier wirkte doch eher frostig.
    Michael und Gret fuhren vor, in einem der üblichen Volvos der Kapo. Kein übler

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