Staub Im Paradies
oder so.«
»Wir müssen herausfinden, wo Rexons Geld geblieben ist«, sagte Gret.
»Da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Aber darf ich jetzt wieder in die Schule? Heute Nachmittag steht eine Lateinprüfung an, für die ich sehr viel gebüffelt habe.«
Gret dachte nach. »Lass mich erst mal überlegen, wie wir am klügsten verschleiern, dass du uns Informationen gegeben hast«, meinte sie dann.
»Verhaftet doch mal ein paar dieser Blutsauger, die ständig Geld für den Krieg aus den Leuten pressen«, schlug ihr das Mädchen vor.
Gret staunte Bauklötze ob deren Verwandlung in der vergangenen halben Stunde: von einem zitternden Elendshäufchen in eine selbstbewusste junge Frau. Janani würde ihren Weg machen – mit oder ohne Familie.
»Wen genau sollen wir denn deiner Meinung nach verhaften?«, fragte Gret unsicher.
»Darf ich zu meiner Prüfung?«, kam sofort die Gegenfrage.
Gret bejahte nach ein paar Sekunden.
Janani nannte ihr drei Namen.
»Sollen wir dich irgendwie beschützen?«, erkundigte sich Gret daraufhin besorgt.
»Das kann ich selbst«, behauptete Janani forsch. »Ich muss nur hier raus!«
»Okay«, sagte Gret. »Wir lassen dich in zwei Stunden ziehen, gleichzeitig mit deinen Geschwistern und deiner Mutter.«
»Das wird knapp«, wandte Janani ein. »Die Prüfung ist um zwei.«
»Ich fahre dich hin«, versprach ihr Gret. »Ich spreche sofort mit meinem Chef und dem Team und komme dann schnellstmöglich zu dir zurück. Brauchst du etwas in der Zwischenzeit?«
»Eine Zeitung?«
»Ich sorge dafür, dass dir eine gebracht wird«, sagte Gret und hetzte aufgewühlt aus dem Raum. Vor der Tür zog sie unmittelbar ihr Natel aus der Tasche und kontaktierte Michael.
»Ich hab’s!«, frohlockte sie. »Ich weiß jetzt endlich, um was es in diesem Fall geht.«
»Super, endlich!«, entgegnete ihr Michael erleichtert und forderte sie auf, sofort zu ihm ins Büro zu kommen.
»Schon unterwegs«, beendete Gret das Gespräch und machte sich auf den Weg.
Vielleicht war der Fall bis Freitag bereits erledigt, sodass sie sich wieder auf ihr Privatleben konzentrieren konnte?
Mein Gott, Frau!, lachte Gret über sich selbst. Häng die Erwartungen bitte tief! Und freu dich einfach auf ein entspannendes Eukalyptusbad nach dem Date bei dir zu Hause.
Staub überfrisst sich
Strichs Anruf plärrt mitten in das große Fressgelage hinein, das Verasinghes Frau Lakmini für uns veranstaltet. Seit unserem Eintreffen in deren kleinem, aber pingelig sauberem Haus werden wir systematisch gemästet: Curryhühner in Kokosmilch, Nudeln mit Erbsen, Rindfleisch mit Paprika, Leber mit Nüssen, Linsen, Süßkartoffeln, Auberginen, verschiedene andere Gemüse, Mangos, Papayas. Sobald der Nahrungsberg auf unseren Tellern auf unter zehn Zentimeter Höhe fällt, schöpft Lakmini sofort nach.
Das Hauptproblem ist allerdings nicht die gewaltige Fülle an Speisen, sondern dass sie allesamt so fantastisch schmecken, dass man einfach immer weiter isst. Mit der rechten Hand, wie es hier Brauch ist, und auf einem flauschigen Teppich auf dem Boden sitzend.
Als mein Natel nicht aufhört zu klingeln, muss ich mich entscheiden, ob ich es nun mit der klebrigen Rechten oder der eigentlich unsauberen, traditionell zum Hinternputzen reservierten Linken aus meiner Hosentasche klauben soll.
»Muss das jetzt sein?«, stört Leonie diesen komplizierten Denkprozess.
»Was kann ich dafür?«, rechtfertige ich mich, rutsche ein paar Meter zur Seite und greife mein Mobiltelefon dann entschlossen mit der Linken. Denn ich putze mir den Hintern zu Hause üblicherweise mit der recyclingpapierbewehrten Rechten, mit der ich hier im Essen rumknete.
»Ja«, knurre ich in mein Natel und begebe mich ins Nebenzimmer, um ungestört telefonieren zu können.
»Ah, der Kollege Staub, welche Freude!«, vernehme ich Ralf Strich vom Kriminaltechnischen Dienst. Seine Stimme klingt gequetscht. Ich könnte schwören, dass auch er beim Essen ist. Vermutlich vertilgt er gleichzeitig Schokoriegel und Chips. Beidhändig wahrscheinlich.
»Schön, dass Sie anrufen«, begrüße ich ihn. »Ich genieße gerade ein herausragendes Curry. Aber gut. Sie wollen mir zweifellos etwas zu den Kugeln beziehungsweise zu der verwendeten Waffe verraten?«
Nun schmatzt er wirklich, ich bin mir ganz sicher.
»Essen Sie auch gerade?«, frage ich.
»Verzeihen Sie mir, Staub, aber ich musste heute aufs Mittagessen verzichten und behelfe mir gerade mit ein paar Bananen«, lacht er.
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