Staub Im Paradies
mich wirklich nach Kandy zu meiner Familie.
Mario friert jämmerlich
Der Hinweis kam am Samstagmorgen von einem pensionierten Architekten aus Wollerau, der mit seinem Appenzeller Sennenhund am Hüttnersee spazieren ging. Es war einer von vielen Tipps. Allerdings einer, der sich schnell als Kleinod unter all dem Tand herausstellte, der nach einer weiteren Ausstrahlung von Rexons Porträt auf Tele Züri auf die Kantonspolizei herabgeregnet war. Denn bereits am Abend war klar, dass die leer geräumte Brieftasche und die Blutreste an dem Klappmesser, welches der Sennenhund unter einem Weidengestrüpp am See ausgescharrt hatte, Rexon gehörten – das Tier hatte möglicherweise den Tatort entdeckt.
Alle von Besondere Verfahren, die nicht aus zwingenden Gründen verhindert waren, standen im Licht der Scheinwerfer um den Fundort herum, froren jämmerlich und beobachteten Strichs Leute vom Kriminaltechnischen Dienst bei ihrer Arbeit. Der Moorboden war zwar gefroren, aber brüchig. Dementsprechend mühselig gestaltete sich die Suche nach weiteren Blutspuren oder anderen Hinweisen auf einen Kampf.
Mario war sich sicher, dass Rexon hier erstochen worden war, denn der Tatort war schlichtweg ideal: sichtgeschützt durch Büsche und Schilf sowie fernab jeder menschlichen Behausung. Gret war absolut seiner Meinung. Bea, die emsig mit ihrer sattsam bekannten roten Thermoskanne Kaffee verteilte und dadurch Sympathiepunkte sammelte, nicht. Häberli war wieder einmal unauffindbar geblieben und Michael wirkte heute seltsam abwesend.
»Habt ihr endlich etwas gefunden?«, wandte sich Mario an Strich, der in seiner dicken Daunenjacke und den Moonboots aussah wie ein Marsmensch.
»Wir arbeiten daran«, meinte dieser frohgemut. »Wie du sicher erkennst, ist das Gelände nicht gerade ideal, um schnell zu Ergebnissen zu kommen.«
Mario seufzte und realisierte, dass Michael mit finsterer Miene abseits stand. Hatten ihn womöglich die Informationen von Staub frustriert? Oder hatte er einfach wieder einmal zu viel getrunken am Vorabend? Gerüchte, dass sich der hübsche Michael ab und zu gehörig einen hinter die Binde goss, zirkulierten seit Jahren.
Mario konnte die Abstürze seines Chefs ebenso wenig verstehen wie die Tatsache, dass dessen Vorgänger offenbar in Sri Lanka herumschnüffelte, statt einfach seine Ferien zu genießen.
Gut, Staub hatte ein paar völlig überraschende Details zur Ermittlung beitragen können. Zum Beispiel, dass Rexon gar nicht im Sinn gehabt hatte, diese ominöse Vidya zu heiraten. Und woher das viele Geld stammte, mit welchem der Tamile in Zürich unterwegs war.
»Nehmen wir mal an, Rexon wurde tatsächlich hier ermordet«, sprach ihn Gret an. »Wie um Himmels willen ist er dann bloß hierher geraten?«
»Warte doch erst mal ab, ob dies überhaupt der Tatort ist«, riet ihr Bea ungefragt. »Die Stelle ist ideal, um die Brieftasche und das Messer zu entsorgen, mehr nicht. Wäre der Boden momentan nicht gefroren, wäre alles im Moor versunken. Aber das heißt noch längst nicht zwangsläufig, dass Rexon auch hier kaltgemacht wurde.«
»Anstatt einfach nur sinnlos zu frieren, können wir ja wohl ein paar Gedankenspiele anstellen, oder nicht?«, pampte Gret sie an.
»Finde ich auch«, unterstützte Mario seine Bürokollegin eilfertig. »Rexon muss jedenfalls mit dem Auto gekommen sein. Das Kaff ist zwar auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, aber nur sehr umständlich mit einem Bus ab Richterswil.«
»Rexon hatte aber kein Auto«, wandte Bea ein.
»Er kam ja auch nicht allein. Der Mörder hat ihn gefahren«, belehrte sie Mario.
Gret nickte zustimmend.
»Wieso aber sollte er mit jemandem, den er nicht kannte, ausgerechnet an diesen abgelegenen, kleinen See fahren?«, spann sie den Faden weiter.
»Er kannte seinen Chauffeur«, sagte Mario bestimmt.
»Richtig!«, nickte Gret erneut.
»Alles blasse Theorie«, blaffte Bea. »Wartet doch erst mal ab, ob Strich überhaupt was findet.«
»Das mit dem Auto ist auf jeden Fall klar, immerhin musste der Mörder Rexons Leiche ja wieder abtransportieren, um sie hinter das Riff Raff zu schaffen«, ignorierte Mario sie.
Gret nickte abermals, etwas geistesabwesend, wie ihm schien. Mit einem seltsam zufriedenen Gesichtsausdruck allerdings.
»Was haltet ihr eigentlich von Staubs Erkenntnissen in Sri Lanka?«, wechselte Bea das Thema.
»Durchaus wertvoll«, meinte Mario, »auch wenn ich mich nur wundern kann, dass Staub da drüben überhaupt ermittelt.
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