Staub Im Paradies
Hoffentlich geht das mal glatt! Am Schluss benötigt er womöglich noch unsere Hilfe.«
Er bemerkte, dass Gret leicht errötete. Hatte der Alte etwa bereits nach ihr geschrien? Das wäre ja wohl unerhört!
»Also, ich würde schon nach Sri Lanka fliegen, wenn man mich ließe«, äußerte sich Gret tatsächlich. »Obwohl …«
»Da wäre Staub sicher ganz enorm begeistert«, rutschte es Mario salopp heraus.
»Was willst du denn damit sagen?«, beäugte Gret ihn misstrauisch.
»Nun, ähm, ihr seid doch immer bestens miteinander ausgekommen«, stotterte Mario hilflos und ärgerte sich wieder einmal über seine Unsicherheit.
Noch mehr nervte ihn allerdings die Geheimniskrämerei seiner Kollegin. Als ob ihn Staubs Gefühlslage im fernen Asien interessiert hätte! Solange niemand auf die Idee kam, ihn, Mario, in den Dschungel zu entsenden, war ihm die Situation des Alten doch völlig egal. Aber Michael, Gret und Staub hatten schon immer ein verschworenes Triumvirat gebildet, das hochnäsig über dem normalen Polizistenpöbel thronte und immer ein bisschen mehr wusste als der Rest. Augenscheinlich ging es nach Staubs Beförderung genauso weiter.
Egal. Lange würde er sich nicht mehr ärgern.
Mario blickte sich um. Viel war im Dunkel außerhalb des Scheinwerferlichts nicht zu erkennen – weit entfernt auf einem Hügel ein paar Häuser und sonst nichts. Bisher hatte er fälschlicherweise immer gedacht, der Ort Hütten gehöre zum Kanton Schwyz. Tatsächlich lag die Gemeinde aber am äußersten Rand des Kantons Zürich und wies als einzige Attraktion den idyllisch gelegenen See auf, der im Sommer ein beliebtes Badeziel für Leute aus den benachbarten reichen Schwyzer Gemeinden war. Hütten selbst war jedoch ein Bauerndorf.
Bea kam auf ihn zu und offerierte ihm einen Kaffee aus ihrer Thermoskanne, den er dankend annahm.
»Kennst du die Sage von der Entstehung des Sees?«, fragte sie ihn.
Mario verneinte.
»Hier stand einst ein Brunnen, an dem sich die Pilger labten, bevor sie nach Einsiedeln weiterzogen«, schnatterte Bea drauflos. »Eines Abends erfrischte sich ein müder Wanderer an dem Wasser. Plötzlich aber stand ein Greis mit langem, fahlem Bart vor ihm und fragte ihn nach seinem Ziel.«
»Aha. Und weiter?«
Mario war sich keineswegs sicher, ob er wirklich Lust auf Beas Geschichte hatte. Aber andererseits nuckelte er gerade an ihrem Kaffee und wollte sie nicht unnötig vor den Kopf stoßen.
»Der Wandersmann erzählte, dass er nach Einsiedeln wolle, um der Schwarzen Maria eine Kerze zu stiften«, fuhr seine Kollegin fort. »Er hoffe, in zwei Tagen zurück an dem Brunnen zu sein. Der Alte lachte ihn aus und behauptete, dass der Wanderer dann keine Quelle mehr finden werde. Und tatsächlich, als der Fremde zwei Tage später auf demselben Weg zurückkehrte, suchte er den Brunnen vergebens. Dafür lag dieser liebliche See vor ihm.«
Bea blickte Mario stolz an.
Er war im Begriff zu fragen, ob das schon alles gewesen sei, hielt es jedoch für klüger, diesen Impuls zu unterdrücken.
»Interessant, Bea«, heuchelte er stattdessen. »Davon habe ich nie gehört.«
»Das ist die Sage vom Hüttnersee, so war das.«
Mario war froh, dass in diesem Moment Strich herankeuchte. Trotz seiner dicken Bekleidung, die einem Polarforscher aller Ehren wert gewesen wäre, zitterte er vor Kälte.
»Und?«, fragte Mario den Kriminaltechniker. »Gibt’s irgendwelche Neuigkeiten?«
»Nun, ich glaube, dass unser Klient tatsächlich hier getötet wurde. Blutspritzer gibt es jedenfalls. Ob sie von Rexon stammen, wissen wir natürlich erst morgen definitiv. Aber ich wüsste ehrlich gesagt nicht, von wem sonst.«
»Von einem Tier vielleicht?«
»Nein, Mario. Menschenblut ist es zweifellos, das steht fest.«
»Verflucht!«, entfuhr es Bea. »Das gibt’s doch nicht!«
»Lasst uns nach Zeugen suchen. Irgendjemand muss etwas gesehen oder gehört haben«, schlug Gret vor. »Die Gegend ist derart ruhig und menschenleer, dass zumindest ein Auto hier auffallen müsste.«
»Möglich«, räumte Bea ein. »Machen wir also die Ochsentour durch das Dorf. Ich kann ja mal bei den Bauernhöfen dort drüben anfangen.«
»Michael?«, rief Gret ihrem Vorgesetzten zu, der daraufhin zu ihnen herüberkam.
Sie fasste zusammen, was Strich ihnen soeben berichtet hatte.
Michael zeigte sich weder überrascht noch sonderlich interessiert, war mit der geplanten Vorgehensweise aber einverstanden.
»Wir könnten Kollar und Bieri dabei ganz gut
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