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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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müssen.“
    „Der Name Ruggieri ist nicht so verbreitet wie Stradivari. Meine Kleine wurde 1696 von Francesco erbaut.“ Max sprach mit solcher Wärme in der Stimme, als würde er tatsächlich von seiner Geliebten erzählen. „Seine Geigen hatten einen flacheren Rand und ein breiteres Patron. Das schenkte dem Klang einen vollen und ausladenden Ton.“ Er lenkte den Wagen auf die Autobahn. „Aber das wolltest du bestimmt nicht so genau wissen. Tu mir bitte einen Gefallen und bremse mich, wenn ich zu sehr klugscheiße, okay? Das ist ja nicht auszuhalten.“
    Sie schmunzelte. „Okay. Wie bist du Musiker geworden?“
    Er wechselte auf die linke Spur und beschleunigte. Der Tacho kroch auf die 220 zu. Bei dieser Geschwindigkeit spürte Mirjam ein Kribbeln in der Magengegend, als hätte dort jemand einen Ameisenhaufen aufgewühlt. Auf jeden Fall beharrte sie darauf, es auf die Geschwindigkeit zurückzuführen.
    „Ich brauchte etwas, das mich ausfüllte. Eine Aufgabe. Gut, hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich mich vielleicht doch für eine Elektrogitarre entscheiden. Aber das Geigenspiel habe ich wohl schon vorher gekonnt. Vor der Amnesie.“
    „Ich habe dich spielen gehört. Du bist unglaublich!“
    „Nein. Beethoven war unglaublich. Mozart.“ Er deutete auf die Radioanlage. „Vielleicht sogar HammerFall. Ich dagegen bin nur ein Handwerker, ich feile an dem, was andere vor mir erschaffen haben.“
    „Es muss einen Musiklehrer gegeben haben, der dir das beigebracht hat. Komisch, dass niemand sich an dich erinnern kann. Menschen wie du laufen nicht gerade in Horden durch die Straßen.“
    Seine Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie. „Vor allem muss das jemand bezahlt haben.“
    Eine Weile musterte Mirjam ihre Niednägel, warf einen Blick auf seine gepflegten Hände am Steuer und versteckte ihre Finger unter dem Ärmel. „Hasst du sie?“
    „Wen?“
    „Deine Eltern. Dass sie dich so … im Stich gelassen haben.“
    „Nein.“ Über sein Gesicht huschte ein Ausdruck von Verletzlichkeit, den er sofort wegwischte. „Wie kann ich jemanden hassen, den ich nie gekannt habe? Aber lassen wir das. Erzähl mir lieber von dir.“
    „Ich habe nicht viel zu erzählen. Ich mache mein freiwilliges soziales Jahr in einem Pflegeheim und will irgendwann Psychologie studieren. Ich brauche ein paar Wartesemester.“
    „Psychologie? Warum?“
    Mirjam begann zu erzählen. Schon bald redete sie von der Schule, wie sie ihre Klasse hasste und deshalb keine Lust hatte hinzugehen, was sich auf ihre Noten auswirkte. Sie vertraute ihm an, wie sie vor einiger Zeit mit ihren Eltern gestritten hatte, was bestimmt keine psychologische Glanzleistung war, und dass sie bis jetzt kaum ein Wort mit ihrem Vater gesprochen hatte. Sie zitterte, während sie ihm erzählte, wie sie einmal zwei Kerle nach einem Schultag gegen die Wand geschubst und als ‚Judensau’ beschimpft hatten.
    Nur vage bemerkte sie, wie der Audi die Autobahn verließ und über eine ab-geschiedene Straße holperte. Im Vorbeifahren erblickte sie eine alte Frau, die in einem Blumenbeet wuselte, kurz den Kopf hob und das Auto betrachtete. Währenddessen berichtete Mirjam weiter über ihr Leben. Irgendwann hielt sie inne und registrierte, dass der Wagen sich schon lange nicht mehr bewegte. Max hatte den Gurt abgeschnallt und sich ihr zugewandt.
    „Und konntest du deinen Plüschhasen reparieren?“, fragte er.
    „Nein, der Hund hatte ihn regelrecht zerfleischt. Meine Eltern haben mir später einen anderen gekauft, aber es war nicht mehr mein Pfötchen. Wie lange stehen wir schon hier?“
    „Zwanzig Minuten.“
    „Meine Güte. Eigentlich rede ich nicht so viel, und schon gar nicht von meinen Stofftieren. Dir müssen inzwischen die Ohren bluten.“
    Auf seinem Gesicht bildeten sich Lachfältchen. „Meine Ohren sind genauso zäh wie meine Füße, so leicht fallen sie nicht ab.“
    Sie stiegen aus. Der Audi parkte auf einem Vorplatz vor der Kirche. Sie stand auf einem Hügel, von Bäumen umgeben, deren Blätter zusammengerollt und mit braunen Flecken bedeckt waren. Spinnenweben überzogen die Sträucher am Eingangsportal. Verwelktes Gras wucherte über die Stufen. Um den Hügel herum ruhte das Dorf, das in seiner Stille ausgestorben wirkte.
    Mirjam und Max gingen zur Kirche. Kies knirschte unter ihren Schuhsohlen, das einzige Geräusch in der Umgebung. Eichen streckten ihre massiven Äste zum Gebetshaus, als wollten sie das Gemäuer berühren, als gierten sie nach einem

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