Staub
glaube, ich kriege eine Erkältung. Das hört man mir bestimmt an. Du hättest mich vorhin erleben sollen. Meine Nase ist total verstopft. Heute früh beim Aufstehen habe ich fürchterlich geklungen.«
Lucy starrt auf das rote Licht am Kassettenrecorder. Dann wandert ihr Blick zu dem Blatt Papier unter der Linse des Krimesite-Imagers. Die lilafarbenen Fingerspuren darauf sind groß genug für einen Mann, aber sie ist zu klug, um voreilige Schlüsse zu ziehen. Wichtig ist nur, dass überhaupt Abdrücke vorhanden sind, vorausgesetzt, sie stammen von der Bestie, die diese widerwärtige Zeichnung an die Tür geklebt hat, und angenommen, es handelt sich dabei wirklich um den Menschen, der versucht hat, Henri umzubringen. Lucy betrachtet seine lilafarbenen Hinterlassenschaften, seine Spuren, die Aminosäuren von seiner verschwitzten, fettigen Haut.
»Tja, ich habe jetzt einen Filmstar nebenan, was sagst da dazu?«, schrillt Kates Stimme in Lucys Ohren. »Ach, nein, Schätzchen, mich wundert das überhaupt nicht. Eigentlich habe ich mir das gleich gedacht. Das ständige Kommen und Gehen. Die schicken Autos und die schönen Menschen. Und dann das Haus, das ein Vermögen gekostet haben muss. Irgendwas zwischen acht und zehn Millionen bestimmt. Und dabei sieht es ziemlich gewöhnlich aus. Genau so, wie man es von Neureichen erwartet.«
Es ist der Bestie egal, ob sie Fingerabdrücke hinterlässt. Es kümmert sie einfach nicht. Lucy wird ganz flau zumute, weil es besser wäre, wenn er Interesse daran zeigen würde, denn das wäre ein Hinweis darauf, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach vorbestraft ist. Offenbar sind seine Fingerabdrücke weder bei IAFIS noch sonst irgendwo registriert, und deshalb braucht sich das Schwein auch nicht den Kopf darüber zu zerbrechen. Er verlässt sich darauf, dass es nie zu einer Identifizierung kommen wird. Aber da hast du die Rechnung ohne mich gemacht, Freundchen, denkt Lucy. Und als sie die lilafarbenen Schmierer auf dem durch die Hitze gewellten Papier betrachtet, kann sie förmlich spüren, dass der widerwärtige Mensch ganz in der Nähe sein muss. Sie hat das Gefühl, dass er und Kate sie beide beobachten. Zorn kocht in Lucy hoch, irgendwo tief in ihr, wo er normalerweise schläft, bis etwas ihn aufweckt.
»Tina … Ist das zu fassen? Ihr Nachname ist einfach weg. Falls sie ihn mir überhaupt je verraten hat. Aber das hat sie bestimmt. Sie hat mir ja alles erzählt, über ihren Freund und über das Mädchen, das überfallen wurde und nach Hollywood zurückgekehrt ist …«
Lucy erhöht die Lautstärke. Die lilafarbenen Flecken auf dem Papier verschwimmen, als sie sie mit Blicken fixiert, während ihre Nachbarin über Henri spricht. Woher weiß sie, dass Henri überfallen wurde? Es kam nicht in den Nachrichten. Lucy hat Kate nur erzählt, dass sie von einem Mann verfolgt wird. Einen Überfall hat sie mit keiner Silbe erwähnt.
»Sie ist sehr hübsch, wirklich ganz reizend. Nettes Gesicht, gute Figur, sehr schlank. So sind sie ja alle in Hollywood. Aber seit in ihrem Haus eingebrochen wurde und die vielen Streifenwagen und der Krankenwagen aufgekreuzt sind, war sie kaum mehr hier.«
Der Krankenwagen, aber natürlich! Kate hat ihn gesehen und beobachtet, wie eine Trage aus dem Haus gebracht wurde. Daraus schließt sie selbstverständlich, dass Henri angegriffen wurde. Ich denke nicht mehr klar, sagt sich Lucy. Ich erkenne die Zusammenhänge nicht. Ihre Wut, Verbitterung und Panik wachsen. Was ist nur los mit mir?, fragt sie sich, während sie weiter lauscht und den Kassettenrecorder in dem Aktenkoffer betrachtet, der auf der Tischplatte neben dem Krimesite-Imager steht. Was zum Teufel stimmt nicht mit mir, schilt sie sich und erinnert sich an ihr leichtsinniges Verhalten, als der Latino ihren Ferrari verfolgt hat.
»Darüber habe ich mich auch gewundert. Kein Wort in den Nachrichten. Ich habe natürlich darauf geachtet, das kannst du mir glauben«, spricht Kate weiter. Ihre Artikulation klingt unsicher und verwaschen, weil sie inzwischen wieder ein paar Schlucke getrunken hat. »Ja, das möchte man meinen«, sagt sie mit Nachdruck, wodurch ihr Lallen noch mehr auffällt. »Es handelt sich um Filmstars, und nichts kommt in den Nachrichten! Aber genau darauf will ich ja hinaus: Sie sind heimlich hier, und deshalb wissen die Medien nichts davon. Tja, das klingt plausibel. Das muss die Erklärung sein, das sollte sogar dir einleuchten …«
»O mein Gott, sprich doch endlich über etwas
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