Staub
entgegnet Special Agent Weber im Brustton der Überzeugung, als kenne sie die tote Vierzehnjährige persönlich. »Vielleicht hat es ja eine Verwechslung gegeben. Jemand hat eine Probe falsch beschriftet oder verunreinigt. Sind die beiden Analysen von demselben forensischen Wissenschaftler durchgeführt worden?«
»Eise – ja, ich glaube, so heißt er – ist für beide verantwortlich«, erwidert Dr. Marcus. »Er ist für die Spuren zuständig, aber nicht für die Haare.«
»Sie haben schon zweimal Haare erwähnt. Was für welche?«, fragt Scarpetta. »Soll das heißen, dass auch Haare sichergestellt wurden?«
»Einige am Fundort von Gilly Paulsson«, antwortet Dr. Marcus. »Ich glaube, in der Bettwäsche.«
»Dann wollen wir mal hoffen, dass die Haare nicht vom Traktorfahrer stammen«, merkt Marino an. »Obwohl es die Sache eigentlich erleichtern würde. Er bringt das Mädchen um, kann nicht mit der Schuld leben und überfährt sich mit seinem eigenen Traktor. Fall aufgeklärt.«
Niemand findet das komisch.
»Ich habe darum gebeten, dass ihre Bettwäsche auf ziliare Schleimhautepithelzellen hin untersucht wird«, sagt Scarpetta zu Fielding.
»Der Kopfkissenbezug«, erwidert er. »Die Antwort ist positiv.«
Eigentlich sollte sie erleichtert sein, da das der biologische Beweis dafür ist, dass Gilly erstickt wurde. Doch die Wahrheit tut weh. »Eine schreckliche Art zu sterben«, meint sie. »Einfach entsetzlich.«
»Verzeihung«, schaltet sich Special Agent Weber ein. »Habe ich etwas nicht mitbekommen?«
»Das Mädchen wurde ermordet«, entgegnet Marino. »Ich wüsste nicht, was zum Teufel Sie sonst nicht mitbekommen haben könnten.«
»So etwas muss ich mir wirklich nicht bieten lassen«, wendet sie sich an Dr. Marcus.
»Doch, das muss sie«, sagt Marino zu ihm. »Außer Sie wollen mich höchstpersönlich aus diesem Zimmer werfen. Ansonsten bleibe ich einfach schön brav sitzen und rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist.«
»Wenn wir schon einmal dabei sind, ein offenes Gespräch zu führen«, sagt Scarpetta zu Weber, »würde ich gerne von Ihnen aus erster Hand hören, warum sich das FBI mit dem Fall Gilly Paulsson beschäftigt.«
»Ganz einfach: Weil die Polizei von Richmond uns um Hilfe gebeten hat«, gibt Special Agent Weber zurück.
»Weshalb?«
»Das müssen Sie sie schon selbst fragen.«
»Ich frage aber Sie«, entgegnet Scarpetta und wird langsam wütend. »Wenn nicht endlich jemand die Karten auf den Tisch legt, ist die Angelegenheit für mich erledigt.«
»So einfach ist das nicht.« Dr. Marcus wirft ihr einen langen Blick aus halb geöffneten Augen zu, die sie an eine Eidechse erinnern. »Sie haben sich eingemischt. Sie haben den Traktorfahrer untersucht, und nun haben wir es vermutlich mit einer Verunreinigung der Beweise zu tun. Ich fürchte, Sie können nicht einfach hier hinausspazieren. Die Entscheidung liegt nicht mehr bei Ihnen.«
»So ein Schwachsinn«, murmelt Fielding und starrt auf seine wunden, schuppigen Hände, die auf seinem Schoß liegen.
»Ich kann dir sagen, warum sich das FBI eingeschaltet hat«, verkündet Marino. »Zumindest weiß ich, was die Polizei von Richmond dazu meint, falls es dich interessiert. Allerdings könnte es sein, dass Sie sich davon gekränkt fühlen«, wendet er sich an Special Agent Weber. »Habe ich übrigens schon erwähnt, wie gut mir Ihr Kostüm gefällt? Und Ihre roten Schuhe? Einfach spitze. Aber was machen Sie, wenn Sie in den Dingern einen Verbrecher zu Fuß verfolgen müssen?«
»Jetzt reicht es«, zischt sie.
»Nein – mir reicht es jetzt!« Jack Fielding schlägt plötzlich mit der Faust auf den Tisch und springt auf. Er tritt ein paar Schritte zurück und sieht sich mit vor Wut blitzenden Augen um. »Ich habe diese Scheiße satt. Ich gehe. Haben Sie kapiert, Sie kleines, verblödetes Arschloch?«, schreit er Dr. Marcus an. »Ich gehe. Und auf Sie scheiße ich genauso.« Er zeigt mit dem Finger auf Special Agent Weber. »Sie können mir mit Ihrem beschissenen FBI mal den Buckel runterrutschen. Sie kommen hierher, führen sich auf wie Halbgötter und haben von nichts eine Ahnung. Sie würden einen Mord nicht mal erkennen, wenn er in Ihrem eigenen gottverdammten Bett stattfindet. Ich gehe.« Er marschiert zur Tür und dreht sich kurz davor noch einmal um. »Pete, ich weiß, dass Sie im Bilde sind«, wendet er sich an Marino. »Sagen Sie Dr. Scarpetta die Wahrheit. Jemand muss es ja tun.«
Dann geht er zur Tür hinaus und knallt
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