Staubige Hölle
kein Wunder, dass sein Vater zu ihm gesprochen hatte.
»Mit dir alles okay?«, fragte Rosie, die Augen fest auf der StraÃe.
»Ja. Zu viel Vino.«
»Mein Gott, du hast dir die Flasche aber auch so richtig reingezogen.« Warf ihm ein Lächeln zu. Vornehme Schulen und das College hatten den kehligen Akzent von Rosies Kindheit zwar geglättet, aber er konnte ihn immer noch an dem rollenden »r« heraushören â der fast Spanisch klingende Dialekt der Cape Flats. Rrrrichtig. Rrrreingezogen.
»Tut mir leid«, sagte er.
»Muss nicht. Du hast Geburtstag. Entspann dich.«
Sein Geburtstag. Himmel, wie hatte er es nur geschafft, achtundvierzig zu werden? Dell strich sich mit den Fingern durch das lange, von grauen Strähnen durchzogene strohblonde Haar. Sein Zwei-Wochen-Bart juckte. Fast ganz silbern. Höchste Zeit, ihn auszudünnen. Seine Frau fand die Stoppeln sexy. Zumindest hatte sie das früher gesagt.
Dell drehte sich zu den Zwillingen um, die nebeneinander auf Kindersitzen angeschnallt waren. Mary und Thomas, fünf Jahre alt, nuckelten durch gebogene Strohhalme Obstsaft. Tommy sagte, Ben 10 wäre viel cooler als Pokemon. Mary sah das anders. Tommy blieb stur.
Mary sagte: »Tommy, du bist ein absoluter Vollidiot.« Hörte sich an wie jemand mittleren Alters.
Die Sonne zauberte einen Heiligenschein in ihr wildes Haar, das in dunklen Korkenzieherlocken bis auf ihren Rücken fiel. Die Haare ihrer Mutter. Sie hatten auch ihre Haut. Exakt die Farbe von Karamell.
Dell legte eine Hand auf das Bein seiner Frau, spürte ihre Wärme durch den Jeansstoff. »Und du, meine kleine Rosenknospe? Wie gehtâs dir?«
Rosie arbeitete an einem weiteren Lächeln, doch es funktionierte nicht. Sie gab sich die gröÃte Mühe, ihm an seinem Geburtstag etwas Gutes zu tun, aber sie war nicht mit dem Herzen dabei. Seit er sie zwei Tage zuvor auf dem Sofa kauernd angetroffen hatte, die Arme um die Knie geschlungen und die Frühnachrichten im Fernseher verfolgend, hatte sie sich an einen dunklen, inneren Ort zurückgezogen.
»Ben Baker ist tot«, sagte sie, während Dell Bilder von Cops in einer Luxuswohnung am Clifton Beach sah und den Nachrichtensprecher verkünden hörte, Baker sei am Vorabend im Verlauf eines Einbruchs in seiner Wohnung ermordet worden. Ein Raubüberfall, der in die Hose gegangen war. Nur zu alltäglich in Kapstadt. In die Nachrichten hatte es die Meldung nur geschafft, weil Ben Baker einer der reichsten Männer des Landes gewesen war. Seine Kohle hatte die Kunststiftung finanziert, die Rosie leitete. Er war der Grund, warum sie jetzt diesen glänzenden neuen Volvo fuhren.
»Ich hab mich gerade dabei ertappt, wie ich in der Tasche nach einer Kippe suche«, sagte Rosie. Sie hatte zu rauchen aufgehört, als sie mit den Zwillingen schwanger wurde. »Was hat das zu bedeuten?«
»Es bedeutet, du stehst unter Stress.«
Ben Bakers Tod bedeutete, dass sie schon bald keinen Job mehr haben würde. Womit sie dann beide arbeitslos wären. »Alles wird gut«, sagte er. Seine Worte klangen hohl.
Er berührte ihre Hand auf dem Lenkrad. Elegante, schöne Finger, die in langen, sorgfältig manikürten Nägeln endeten. Als er sie kennengelernt hatte, waren die Nägel kurz gehalten worden und ihre Finger fleckig von den Pigmenten der Ãlfarben, die sie für ihre riesigen abstrakten Gemälde benutzte. Die Malerei hatte sie allerdings aufgegeben, als sie ihren Job antrat. Er vermisste diesen Geruch im Haus. Terpentin und Leinöl.
Dell wendete den Blick von seiner schönen Frau ab. Heute empfand er den Altersunterschied deutlicher als je zuvor. Er beobachtete die StraÃe. Die Kulturlandschaft war verschwunden. Fort waren die Obstplantagen und die Weingüter. Vergangene Woche hatte ein Feuer die Berge attackiert, den Saum des ortstypischen Buschlands in Brand gesetzt und eine post-apokalyptische Landschaft aus Fels und grauer Asche zurückgelassen, wo hier und da immer noch Rauch aufstieg. Dell starrte über den Rand nach unten, wo ein ausgetrocknetes Flussbett in einem engen Tal verlief. Ein heftiges Schwindelgefühl überkam ihn, und er schloss die Augen. Zu viel Wein.
Dell öffnete die Augen und redete, bevor er sich bremsen konnte. »Er ist drauÃen, Rosie.«
»Wer?«
»Mein Vater. Er ist entlassen worden.«
Die Hände seiner Frau verkrampften sich um das
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