Stauffenbergs Gefaehrten
die Stäbe an der Front jeden Mann. Oertzen solle in Berlin Waffen und Material besorgen, lautet der Vorwand, um seine Anwesenheit beim Allgemeinen Heeresamt zu rechtfertigen. In Wirklichkeit geht er Stauffenberg und anderen Mitverschworenen zur Hand. Oertzen legt Marschzeiten für Ersatzheer-Einheiten fest, besucht mehrere der Einheiten wie die Panzertruppenschule Krampnitz und Wünsdorf und dringt auf schnellere Marschbereitschaft. Dass diese Aktivitäten keineswegs mit dem Grund seiner Dienstreise übereinstimmen und deren Frist durch die Verschiebung des Attentats überschritten ist, hält Oertzen nicht ab. Er agiert, wie seine Mitstreiter ihn kennen. Ein »ich kann nicht« habe es bei ihm nicht gegeben, erinnert sich Boeselager.
Am Vormittag des 20. Juli 1944 stellt Oertzen für die Einheiten auf Anweisung von General Friedrich Olbricht alle Marschbefehle zur Sicherung wichtiger Objekte des Wehrkreises zusammen und verteilt sie anschlieÃend. Bis 16.00 Uhr ist das erledigt. Danach begibt sich Oertzen in das Wehrkreiskommando ( WKK ) am Hohenzollerndamm, um bei Problemen einzugreifen. Er ist dort ganz auf sich allein gestellt. Oertzen richtet dem Leiter des Wehrkreises aus, er solle zu Olbricht in die BendlerstraÃe kommen, wo er festgenommen wird. Gegen 17.30 Uhr, der Staatsstreich ist in Gang gekommen, präsentiert Oertzen eine weitere Liste von zu besetzenden Einrichtungen, darunter Behörden der SS und der NSDAP . Der Chef des Stabes beim Wehrkreiskommando weigert sich zunächst, fügt sich aber dann doch. Zwischen 18 und 19 Uhr bestätigen die alarmierten Militärschulen und Garnisonen Oertzen ihre Marschbereitschaft.
Doch langsam sickert durch, dass Hitler das Attentat überlebt hat. Um 23.00 Uhr kehrt der Leiter des Wehrkreises zurück und lässt Oertzen verhören. Dieser kann den Verdacht gegen sich zunächst ausräumen und gibt vor, zufällig in das Geschehen geraten zu sein. Trotzdem muss er seine Pistole abgeben und wird unter Bewachung gestellt. Ihm gelingt es noch, auf der Toilette belastende Papiere zu verbrennen. Doch am nächsten Morgen erinnert sich die Vorzimmerdame des Kommandeurs, als sie Oertzen sieht, dass dieser im Herbst 1943 zum Wehrkreiskommando abkommandiert war, als sich auch Stauffenberg dort aufhielt. Das steht im Widerspruch zu seinen Aussagen, er habe Stauffenberg nie getroffen. Als Oertzen seine falsche Angabe einräumt, muss er mit seiner Festnahme rechnen. Er ruft seine Frau an. Wenig später erschüttert eine Detonation die Etage. Auf dem Flur liegt Oertzens Bewacher blutend am Boden, während der Major, der sich eine Gewehrsprenggranate an den Kopf gehalten hat und im ersten Augenblick bereits für tot gehalten wird, schwer verletzt auf eine Löschsandtüte zukraucht und nach der zweiten versteckten Granate greift. Es gelingt ihm, auch diese noch zu zünden.
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VI.
Ingrid von Oertzen ist dem Rat ihres Mannes gefolgt und ins Hotel zu ihrem Vater gefahren, der eigentlich mit Tochter und Schwiegersohn seinen Geburtstag feiern wollte. Doch dort wartet bereits die Polizei, die offensichtlich Kenntnis von dem letzten Telefonat bekommen hat. Während Ingrid beim Verhör nichts vom Freitod ihres Mannes erfährt, informieren Beamte ihren Vater über sein Schicksal. Der offenbart der Tochter erst nach der Rückkehr in Bellin die Wahrheit über Ulrichs Tod, ohne auf die Hintergründe einzugehen. Für ihre Reaktion machte sich Ingrid noch Jahre später Vorwürfe, »weil ich so unbeherrscht war, was sonst nicht meine Natur ist«: Sie bricht mit einem Schreikrampf zusammen. Heute weià sie, dass ihr das wohl geholfen hat, nicht verrückt zu werden. Am 2. August â ihrem Kennenlerntag â wird Ingrid von Oertzen erneut verhaftet. Die NS -Führung hat beschlossen, die Angehörigen der Verschwörer in »Sippenhaft« zu nehmen. Ihr Vater macht sich Sorgen und versucht mit Kassibern, seiner Tochter Mut zuzusprechen: »Du wirst durch das lange Warten auf eine sehr harte Probe mit Deinen Nerven gestellt, aber ich habe den festen Glauben, daà Du auch diese weitere Aufgabe, vor die Dich das Schicksal stellt â nämlich den Mut nicht zu verlieren und nicht zuletzt noch zu verzweifeln â meistern wirst, ebenso wie Du all die Wunden, die das Leben Dir schlug, aus eigener innerer Kraft überwinden konntest.« Wenig später wird auch er festgenommen. In den
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