Stauffenbergs Gefaehrten
Plettenberg im Herbst 1942 am Fenster seiner Dienstwohnung im Niederländischen Palais Unter den Linden in Berlin und schaut auf die Wache gegenüber mit dem Grabmal für den unbekannten Soldaten. Zu Besuch hat Plettenberg, seit einem Dreivierteljahr der Generalbevollmächtigte des vormals regierenden preuÃischen Königshauses, Marion Gräfin Dönhoff, mit der er aus seiner Zeit als Verwalter des Land- und Forstbesitzes der Grafen Dönhoff in OstpreuÃen von 1923 bis 1930 eng befreundet ist und die sich an die Begegnung erinnert. Der 51-Jährige ist gerade von der Jagd zurückgekehrt, sein Gewehr mit Fernrohr liegt noch auf dem Tisch. »Schau mal«, sagt er zu Marion, nimmt die Waffe in die Hand, ohne sie anzulegen, und deutet auf die Wache. »Wenn er dort seinen Auftritt hat, könnte ich ihn leicht umlegen.«
Mit »er« ist Adolf Hitler gemeint, der alljährlich am 10. März zu Ehren der Toten des Ersten Weltkriegs dort einen Kranz niederlegt. Plettenberg weiÃ, dass seine Besucherin ihn nicht verraten wird, ebenso wenig wie Axel von dem Bussche, ein junger Offizier aus dem Potsdamer Infanterie-Regiment 9 (I.R.9), der ebenfalls den exponierten »Hochsitz« gezeigt bekommt. Bussche, der Plettenberg als Mentor sieht, wird ein Jahr später zu denen gehören, die bereit sind, sich mit Hitler in die Luft zu sprengen.
Einfach so dahingeredet ist Plettenbergs Idee vom Attentat auf den Diktator nicht. Auch will er den Jüngeren nicht etwa imponieren. Bereits im März 1942 hat er sich auf dem Balkon des Palais mit seinem Kameraden aus dem Regiment 415 und späteren evangelischen Superintendenten Horst Teichgräber ausgetauscht und diesem klar gesagt: »Wir müssen Hitler umbringen.« Was brachte Plettenberg zu diesem Entschluss? Und warum hat er damals nicht geschossen?
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II.
Kurt von Plettenberg wurde am 31. Januar 1891 in Bückeburg, der Residenzstadt des Fürstentums Schaumburg-Lippe, in der Nähe von Hannover als Sohn eines Offiziers geboren. Sein Vater, seit 1890 Kommandeur der Bückeburger Jäger, war später General des Gardekorps und Generaladjutant von Kaiser Wilhelm II . und musste wegen seiner Kritik an der Kriegsführung im Ersten Weltkrieg 1917 zurücktreten. Sohn Kurt beendete den Krieg als Offizier beim 1. Garde-Regiment zu FuÃ, Vorläufer des I.R.9, in dem zu dieser Zeit auch Henning von Tresckow und der gleichaltrige Carl-Hans Graf von Hardenberg dienten, die den militärischen Widerstand gegen Hitler mitorganisieren werden. Besonders mit Hardenberg entwickelte sich eine tiefe Freundschaft.
Plettenberg wollte zunächst weg vom Militär, zu sehr war er vom Kriegsgeschehen erschüttert. Dabei hatte er sich 1914 wie viele andere Deutsche begeistert gezeigt und den Kampf als Herausforderung betrachtet, als Möglichkeit, sich zu bewähren, gesellschaftliche Anerkennung zu gewinnen, aber auch, um sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Am 25. Juni 1925 schrieb er rückblickend an seine Cousine Elisabeth von Sydow: »Weshalb empfanden wir Jungens den Krieg als Erlösung, weshalb loderten wir geradezu auf vor Glück und Freude? Ehrgeiz und Abenteuerlust war es nicht, wenngleich von beiden einige Tropfen den Becher der Begeisterung mit füllten.« Plettenberg nannte zwei Gründe: »Einmal hofften wir stark und zuversichtlich, daà der Schwerpunkt des Lebens für jeden von uns auf ein groÃes Gebiet verschoben würde, auf dem gerade wir glaubten, durch Tradition, Blut und eigene Passion unsere Sache besonders gut zu machen. Dann aber erhoffte man die Möglichkeit eines Ausgleichs des sozialen Unrechts, unter dem wir alle lebten.«
An der Begeisterung schien auch der Tod des geliebten Bruders, gefallen zwei Monate nach Kriegsbeginn, nichts zu ändern. Irgendwann aber klang sie ab. Plettenberg bezeichnete den Krieg nun als »die Konzentration allen menschlichen Elends auf kurze Zeit« und notierte: »Ich habe vom Krieg absolut genug.« Am Ende wünschte er nur noch, dass Schluss ist, wobei er die Niederlage Deutschlands als »Zusammenbruch« empfand. Auch er selbst hatte für lange Zeit alle Freude am Leben verloren.
In der Weimarer Republik setzte Plettenberg seine forstwirtschaftliche Ausbildung aus der Vorkriegszeit fort. Das war ein Gebiet nach seinem Geschmack, bei dem es um Hege und Erhalt geht, um vorausschauendes Wirtschaften, das Denken an die
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