Stauffenbergs Gefaehrten
Hans von Godin im Mai 1944. Der Jurist, der auch politische Häftlinge verteidigt, hatte ein halbes Jahr zuvor schon einmal für Aufregung gesorgt, als er in Berlin Oertzen mit entsicherter Waffe die Wohnungstür öffnete â aus Angst vor der eigenen Verhaftung. Als Godin dann die Pistole verschämt in den Bademantel zurückstecken wollte, schoss er sich aus Versehen ins eigene Bein. Ein Vetter, Assistenzarzt beim berühmten Chirurgen Sauerbruch, operierte ihn noch in der Nacht in der Charité, ohne den Vorfall zu melden. Nun bittet Godin verzweifelt um Unterstützung für seinen Vater, der in einem Gerichtsverfahren eine unbedachte Bemerkung gemacht habe und wegen »Wehrkraftzersetzung« zum Tode verurteilt worden sei. Oertzen möge sich doch schriftlich für seinen Vater verwenden. Ein schwerer Konflikt: Das Schreiben würde die Gestapo auf ihn aufmerksam machen, also unterlässt Oertzen das.
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RegelmäÃig tauscht sich Hans-Ulrich von Oertzen mit seiner Frau per Post aus. Als er diesen Brief schreibt, steckt er mitten in den Attentatsvorbereitungen.
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Wie groà der Druck auf die Verschwörer ist, zeigt sich Ende Mai: Oertzen bittet den Pfarrer seiner Einheit um ein Gespräch. Er wolle über die Pfingstpredigt reden, in der Pfarrer Ernst Ufer den Vers zitiert hat: »Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.« Der Geistliche glaubt zu spüren, dass den Offizier »etwas Besonderes, evtl. Bevorstehendes innerlich bewegt«, und bezieht das auf die ernste militärische Lage an der Front. Nach dem 20. Juli notiert der Pfarrer in sein Tagebuch: Er sehe das Gespräch mit Oertzen »jetzt in einem besonderen Licht«.
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IV.
Mittlerweile ist es Anfang Juli 1944 geworden. An ein Treffen mit seiner Frau ist angesichts der Kriegslage nicht zu denken. Umso überraschter ist Ingrid, als ihr Mann am 8. Juli von einer überstürzt angetretenen Reise zu einem höheren Stab schreibt und sie wenig später aus Berlin anruft: »Ich bin dienstlich hier und habe sehr viel zu tun. Aber kannst du herkommen?« Oertzen will den Menschen, der ihm am nächsten steht, gerade in diesen Tagen bei sich haben. Den Grund darf er nicht nennen. Sofort macht sich die 21-Jährige auf den Weg. Doch in den folgenden Tagen sieht sie ihn nur abends, wenn er erschöpft zurückkommt. Sein Standardsatz zur BegrüÃung lautet: »Jetzt machen wir eine Stunde in Familie und schalten ab.« Ingrid von Oertzen bedauert, dass ihr Mann »viel zu viel« arbeiten müsse, wie sie in ihrem Tagebuch festhält. Am 16. Juli1944 , am Tag zuvor ist zu frühzeitig der Putschplan ausgelöst worden, kann Ulli »wirklich gegen jede Erwartung« zu Hause bleiben. Sie hofft, dass die Arbeitsbelastung nun »milder« werde. Doch zwei Tage später hetzt ihr Mann wieder los. Ingrid notiert: »Von morgens halb sechs bis nachts halb zwei. Ein unhaltbarer Zustand.«
Einmal fragt sie ihn, was er eigentlich mache. Oertzen spricht ausweichend von der Gestapo, die ihr gefährlich werden könnte, will dann aber doch reden, worauf Ingrid abwiegelt. Sie ahnt schon länger etwas, und ihr fällt ein Besuch bei Tresckows ein. Dessen Frau hatte ihr gesagt: »Mein Mann ist dankbar, daà Ihr Mann sich so selbstlos in den Dienst unserer Interessen stellt«, dann aber das Thema gewechselt, als sie merkte, dass Frau von Oertzen nicht weiÃ, um was es geht.
Am 20. Juli 1944 hört Ingrid von Oertzen im Rundfunk vom Attentat auf Hitler. Sie verbindet das zunächst nicht mit ihrem Mann. Auch nicht, als er abends anruft und sagt, er könne wegen der Ereignisse nicht kommen. Am Morgen des 21. Juli meldet er sich erneut: »Ich bin mit dem Attentat in Verbindung gebracht worden, habe damit aber nichts zu tun â fahre bitte zu deinem Vater.« Das sind die letzten Worte, die sie von ihm hört und mit denen er versucht, sie zu schützen. Wenig später steckt sich der 29-Jährige im Flur seines Einsatzortes eine zuvor versteckte Gewehrsprenggranate in den Mund und zieht ab.
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V.
Wie die Untersuchungen der Gestapo und Erinnerungen von Teilnehmern zeigen, spielte Ulrich von Oertzen in Berlin kurz vor und am 20. Juli eine zentrale Rolle. Tresckow war es nur unter gröÃten Schwierigkeiten gelungen, seinen Vertrauten erneut in die Reichshauptstadt abzuordnen â immerhin brauchten
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