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Staunen über den Erlöser

Staunen über den Erlöser

Titel: Staunen über den Erlöser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Lucado
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Bürger spendeten Geld für den Rechtsanwalt, der ihn vor Gericht verteidigte. Radio-Talkshows konnten sich vor Anrufen nicht mehr retten. »Sie geben keine Ruhe«, kommentierte ein Moderator.
    Warum gaben sie keine Ruhe? Klar: Bernhard Goetz war ein amerikanischer Traum, der wahr geworden war. Er tat das, was eigentlich jeder Normalbürger will: Er schlug zurück. Er »zeigte es den Typen«, er »gab ihnen eins auf die Nase«, er »ließ sich nichts gefallen«. Dieser schmächtige Held war zum Symbol einer Leidenschaft geworden, die jeder Amerikaner, ja jeder Mensch kennt: des Zorns des Gerechten, des Wunsches nach Rache.
    Die überwältigende Reaktion der Amerikaner auf den Fall Goetz spricht eine deutliche Sprache. Die Menschen sind wütend. Knapp unter der Oberfläche schlummert eine siedende Wut, die uns dem Mann applaudieren lässt, der furchtlos (oder auch voller Angst) sagt: »Jetzt schlage ich zurück!«, und die Knarre in die Hand nimmt.
    Wir haben die Nase voll. Wir sind es leid, angepöbelt, eingeschüchtert, schikaniert zu werden. Wir haben sie satt, all die Mörder und Vergewaltiger und gedungenen Killer.
    Wir sind wütend und wissen nicht auf wen. Wir haben Angst und wissen nicht wovor. Wir wollen uns wehren und wissen nicht wie. Und wenn dann ein moderner rettender Ritter auftritt, jubeln wir ihm zu. Er ist einer von uns! »So ist’s recht, gib’s ihnen!«
    Aber ist es wirklich recht? Lassen Sie uns einen Moment über unsere Wut nachdenken.
    Wut. Ein ganz besonderes Gefühl, das jeder kennt. Es beginnt so klein wie ein Wassertropfen. Etwas irritiert uns, frustriert uns. Nichts Großes, nur eine Lästigkeit. Jemand, der uns den Parkplatz vor der Nase wegschnappt. Oder uns auf der Autobahn schneidet. Eine träge Kellnerin, und wir haben es doch so eilig. Der Toast ist verbrannt. Tropf, tropf, tropf, tropf …
    Kleine Tropfen, mehr nicht. Aber wenn genug zusammenkommen, hat man bald einen ganzen Eimer voll Wut. Rachsucht auf zwei Beinen. Blinde Verbitterung. Ungezügelter Hass. Wir trauen niemandem und fletschen die Zähne gegen jeden, der uns zu nah kommt. Wir verwandeln uns in wandelnde Zeitbomben, die mit dem richtigen Funken aus Angst oder Spannung jederzeit hochgehen können. Wie bei Mr. Goetz.
    Aber mal ehrlich: Ist das ein Leben? Was ist aus Hass je Gutes gekommen? Was für Hoffnung hat Wut je gebracht, was für Probleme Rache je gelöst?
    Niemand kann den Amerikanern im Ernst böse sein, dass sie dem Mann, der zurückschlug, so zugejubelt haben. Aber heute, wo die Schlagzeilen lange vorbei sind und der Medienglanz verblasst, müssen wir uns den Realitäten stellen und damit den Fragen:
    Was ist Gutes aus dieser Sache gekommen? Ist dies wirklich die richtige Methode, die Kriminalität zu senken? Sind U-Bahn-Stationen in Amerika heute sicherer, brauchen wir auf der Straße keine Angst mehr zu haben? Natürlich nicht. Das kann keine Wut der Welt schaffen. Die Wut füttert nur einen Urhunger auf Rache, der wiederum unsere Wut füttert, die unsere Rachsucht noch stärker macht – Sie sehen, was ich meine; es ist ein Teufelskreis.
    Aber was sollen wir dann machen? Unsere Wut ist da, sie lässt sich nicht leugnen. Wie können wir sie zähmen? Eine gute Möglichkeit finden wir in Lukas 23,34, wo Jesus über den Mob spricht, der ihn ans Kreuz gebracht hatte. »Vater, vergib diesen Menschen, denn sie wissen nicht, was sie tun« (Lukas 23,34).
    Haben Sie sich je gefragt, warum Jesus sich nicht gerächt hat? Haben Sie sich gefragt, wie er es schaffte, nicht auszurasten? Hier ist die Antwort; es ist der zweite Teil seines Satzes. »Denn sie wissen nicht, was sie tun.« Schauen Sie sich diese Worte gut an. Es scheint, als ob Jesus diese blutrünstige Menge, die seinen Tod verlangte, nicht als einen Haufen Mörder sah, sondern als Menschen, die selbst Opfer waren. Als ob er in ihren Gesichtern nicht so sehr Hass sah, sondern vielmehr Hilflosigkeit und Verwirrung. Als ob er sie nicht als militanten Mob betrachtete, sondern, wie er einmal sagte, als »Schafe ohne Hirten«.
    »Sie wissen nicht, was sie tun.«
    Was ja stimmt. Diese Menschen hatten keinen Schimmer, was sie da machten. Sie waren ein aufgeputschter Mob, der selbst nicht recht wusste, auf was er so wütend war, und der seine Wut ausgerechnet an Gott ausließ. Nein, sie wussten nicht, was sie taten.
    Und oft wissen wir das auch nicht. Wir wollen es nicht hören, aber wir sind immer noch Schafe ohne Hirten. Alles, was wir wissen, ist, dass wir aus

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