Staunen über den Erlöser
einen Sterbenden verhöhnen? Wer kann so gemein sein, dass er das Salz der Verachtung in offene Wunden schüttet? Wie pervers, jemanden auszulachen, der vor Schmerzen nicht mehr kann. Wer käme denn heute auf die Idee, über einen Verurteilten, der auf dem elektrischen Stuhl sitzt, Witze zu reißen? Oder sich über den Delinquenten lustig zu machen, dem der Henker gerade die Schlinge um den Hals legt?
Sie können sich sicher sein, dass der Satan und seine Dämonen dahintersteckten.
Und dann meldet sich der Verbrecher am Kreuz Nr. 2 zu Wort: »Bist du nicht der Christus? Dann hilf dir selbst und uns!«
Die Worte, die an diesem Tag gegen Jesus geworfen wurden, sie waren Geschosse, die treffen und verletzen sollten. Es gibt nichts im Leben, das mehr wehtut als solche Worte. Jakobus hat die Zunge im 3. Kapitel seines Briefes nicht umsonst mit einem Feuer verglichen, das verheerende Brände entfacht.
Aber ich erzähle Ihnen da sicher nichts Neues. Bestimmt haben Sie im Leben Ihr Quantum an verletzenden Worten abbekommen. Sie kennen ihn, den Stachel der wohlgezielten Spöttelei, spüren ihn vielleicht jetzt gerade. Jemand, den Sie lieben oder achten, schlägt Sie mit einem lieblosen verbalen Ausrutscher, einem beleidigenden Wort zu Boden, und da liegen Sie und bluten. Vielleicht wollte er Sie verletzen, vielleicht auch nicht; das ist egal, die Wunde ist tief. Und die Verletzungen sind alle innerlich: ein gebrochenes Herz, verletzter Stolz, verletzte Gefühle.
Vielleicht ist es auch eine alte Wunde, die so wehtut. Der Pfeil wurde vor Jahren herausgezogen, aber die Spitze ist drinnen geblieben, tief unter Ihrer Haut, und plötzlich, wenn Sie an nichts Böses denken, flammt der alte Schmerz wieder auf und erinnert Sie an die bösen Worte, die Sie nicht vergessen können.
Wenn die Worte eines anderen Menschen Sie verletzt haben oder vielleicht gerade jetzt verletzen, fassen Sie Mut: Es gibt eine Salbe für Ihre Wunden. Denken Sie einmal über diese Worte aus 1. Petrus 2,23 nach:
Er hat sich nicht gewehrt, wenn er beschimpft wurde. Als er litt, drohte er nicht mit Vergeltung. Er überließ seine Sache Gott, der gerecht richtet.
Sehen Sie, was Jesus nicht tat? Er zahlte nicht Gleiches mit Gleichem heim. Er sagte nicht: »Dir werd ich’s geben!« Oder: »Komm her und sag das noch mal!« Oder: »Warte nur, bis ich auferstanden bin, dann kannst du was erleben!« Dergleichen Worte finden wir auf Jesu Lippen nicht.
Was tat Jesus stattdessen? Er überließ seine Sache seinem Vater, er ließ ihn den Richter sein. Er sann nicht auf Rache, er verlangte keine Entschuldigung. Er setzte keine Belohnung auf die Köpfe seiner Widersacher aus, er schickte kein Exekutionskommando los. Ob wir es glauben oder nicht, er tat das Gegenteil – er nahm seine Widersacher in Schutz! »Vater, vergib diesen Menschen, denn sie wissen nicht, was sie tun.«
Ja, der Dialog an diesem Freitag war bitter. Die verbalen Steinwürfe waren wohlgezielt. Wie Jesus, als er sich am Kreuz vor Schmerzen wand, die Augen von Blut verklebt, die Lunge um jedes bisschen Luft kämpfend, für diese herzlosen Spötter und Peiniger eintreten konnte, ich werde es nie begreifen. Nirgends und nie habe ich solche Liebe gesehen. Wenn je einer ein gutes Recht auf Rache hatte, dann Jesus. Aber er nahm es nicht wahr. Er starb für seine Widersacher. Wie er das geschafft hat? Ich weiß es nicht. Aber dafür weiß ich etwas anderes: Wenn ich Jesu Wunden betrachte, verblassen meine eigenen dagegen. Plötzlich tun sie nicht mehr so weh, kommt mir mein ganzer Groll und meine Bitterkeit selbstmitleidig und kindisch vor.
Manchmal frage ich mich, ob wir die Liebe Christi nicht ebenso sehr in den Menschen sehen, die er ertrug, wie in den Schmerzen, die er erlitt.
Welch eine Gnade!
Kapitel 3
Rache ist nicht süß
»Sie wissen nicht, was sie tun.« (Lukas 23,34)
37 Jahre alt. Dünn, fast schmächtig. Beginnende Glatze und Brille. Elektronikfan. Ein anständiger Bürger, eher ängstlich. Definitiv nicht der Richtige, um in einem Film Robin Hood oder Old Shatterhand zu spielen.
Aber das war den Amerikanern egal. Als Bernhard Hugo Goetz in einer U-Bahn-Station in New York vier Schlägertypen anschoss, die ihn überfallen wollten, wurde er über Nacht ein Held. Eine beliebte Schauspielerin schickte ihm ein »Gruß und Kuss«-Telegramm. »Haut die Schläger!«-T-Shirts erschienen in den Straßen von New York. Eine Rockgruppe komponierte einen Song, der Goetz hochleben ließ. Zahlreiche
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