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SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

Titel: SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Krain
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Weile.
    „Warum erzählen Sie Miss Fiddlebury nicht einfach die Wahrheit?“, fragte Julie plötzlich.
    Charles lachte. „Aber Miss Blackwell, wie stellen Sie sich das vor? Sie selbst besitzen einen unglaublich freien Geist, der über alle unwichtigen Dinge einfach hinwegschaut. Ich bewundere Sie dafür.“ Tatsächlich hatte er mir gegenüber bereits etwas Ähnliches gesagt. „Für die Welt um uns herum ist das, was Sie mit Bradley verbindet aber etwas, wofür es keine oder nur sehr hässliche Worte gibt. Und Rachel ist durch ihre Erziehung und durch ihren Vater noch immer sehr in sich selbst gefangen. Sie sieht Bradley noch immer als Ratte mit besonderen Fähigkeiten und nicht als ebenbürtiges Wesen an. Sie würde es nicht verstehen. Noch nicht.“ Nachdenklich studierte Julie Charles’ Züge. Als wäre sie zur Lösung eines komplizierten Problems gekommen sagte sie: „Sie sind ein außergewöhnlicher Mann.“ Dann beugte sie sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange. Ich glaube, in diesem Augenblick begann die tiefe Freundschaft, die die beiden bis heute verbindet. Jedenfalls redeten sich die beiden wichtigsten Personen in meinem Leben seit dem mit Vornamen an.

    Selbstverständlich hätten wir niemals ernsthaft erwartet, dass es auf dem lange verlassenen Friedhof im Nordwesten Londons tatsächlich spukte. Schließlich war der Gottesacker allenfalls von toten Menschen bevölkert, die nach unserer Theorie keine Essenz „abstrahlten“. Die vielen Geistergeschichten, die sich um diesen angeblich verfluchten Ort rankten, hatten wir sehr weltlichen Phänomenen zugeschrieben. Zum Beispiel dem häufig auftretenden Nebel und den schlecht verwesenden Toten, die beide auf das nahe Moor zurückzuführen waren. Wir hatten den Ort überhaupt nur deshalb als Ziel unseres Ausflugs ausgewählt, weil wir den Fiddleburys natürlich einen Bericht über unsere Aktivitäten schuldig waren.
    Tatsächlich war der Friedhof kaum noch als solcher zu erkennen. Im Licht der freundlichen Nachmittagssonne wirkte er eher wie ein wild romantisches Ruinenfeld einer lange untergegangenen Zivilisation. Nur bei genauem Hinschauen entpuppten sich die verwitterten Brocken auf der wild wuchernden Wiese als Grabsteine. Julie schaute jedoch nicht genauer hin. Übermütig lachend tanzte sie mit mir über das Gräberfeld, während Charles den Picknickkorb auspackte.
    Nach einigen Minuten der überschwänglichen Lebensfreude nahmen wir Charles jedoch das Auspacken der Leckereien ab, damit er sich schon einmal um das Gespann kümmern konnte. Julie setzte den von Charles selbst gebauten Teekocher in Gang, während ich ein paar Eier pellte. Ich hatte gerade ein Ei von seiner Schale befreit, als ich wegen eines plötzlich über unsere Picknickdecke fallenden Schattens zusammenfuhr. Schon im nächsten Augenblick konnte ich aber schon wieder über mich lachen: Unterbewusst hatte ich wohl nicht vergessen, dass wir uns an einem verfluchten Ort befanden. Charles musste schneller als erwartet mit seiner Arbeit fertig geworden sein und stand jetzt hinter mir. Sein Schatten genügte bereits, um mich bis ins Mark zu erschrecken.
    Dennoch wagte ich nicht, mich umzudrehen. Ich ärgerte mich maßlos über diesen abergläubischen Impuls, doch auch wenn ein Teil von mir völlig entspannt blieb, machte mir mein tierischer Anteil das Umdrehen unmöglich. Beinahe verzweifelt hoffte ich, dass er endlich etwas sagte. Julie hatte dieses Problem nicht – schließlich hatten wir ihr auch nicht gesagt, wo wir uns befanden. Erfreulicherweise hatte sie auch nicht mein Zusammenzucken bemerkt. Während sie konzentriert das Feuerloch des Teekochers betrachtete fragte sie: „Charles? Muss man hier ein Feuerhölzchen hineinhalten? Oder zündet das von selbst?“ Zu meinem Entsetzen antwortete Charles nicht. „Charles?“, fragte Julie erneut und drehte sich um. Ich erwartete einen erschreckten Aufschrei oder ein Kreischen zu hören, doch stattdessen lachte sie. „Charles?“, rief sie jetzt recht laut. „Zündet dein Teekocher von selbst?“
    „Ja“, kam es von viel zu weit entfernt zurück. „Ich zeige es dir gleich, Julie.“ Wie erstarrt beobachtete ich weiterhin den Schatten, der offenbar von irgendetwas Unsichtbarem hinter mir geworfen wurde. Überdeutlich zeichnete sich die Silhouette eines Mannes mit Mantel und Zylinder auf dem weißen Picknicktuch ab. Trotz meiner lähmenden Angst wunderte sich ein Teil von mir über sich selbst. Es war doch nur Essenz! Eine

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