SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
mir, dass sie sich vorbeugte und sich Fiddlebury über die Schulter legte. Beim ersten Anlauf verlor sie leider die Balance, sodass sie mit ihren gut zweihundertfünfzig Kilo auf ihn fiel. Hätte der schwere Sessel nicht direkt vor der Wand gestanden, wären die beiden zu Boden gekugelt. Irgendetwas in Fiddleburys Brust knackte hässlich, doch unser Opfer tat auch dies mit einem Grunzer ab und schlief einfach weiter. Allmählich machte ich mir Sorgen, ob der Medikamentencocktail dem alten Geier nicht doch bleibenden Schaden zufügen würde.
Schließlich schaffte es Kinkin, ihn stabil auf die Schulter zu bekommen. Erleichtert bat ich sie, mir zu folgen. Beim Verlassen des Salons machte Fiddleburys Kopf unsanfte Bekanntschaft mit dem Türrahmen. Dabei verursachte sein Schädel genau die Art von Geräusch, die einem durch Mark und Bein geht. Und dieses Mal kam der alte Geier sogar zu Bewusstsein.
„Waah…“, lallte er verwirrt. Doch dann drehte sich Kinkin erschreckt herum und donnerte den Kopf unseres Opfers dabei gegen den anderen Türpfosten. Erneut gingen für Fiddlebury die Lichter aus. Ich stand einige Atemzüge mit geschlossenen Augen und knirschenden Zähnen da.
„Kinkin?“, fragte meine Komplizin schuldbewusst.
„Alles ist gut, Kinkin. Du machst das großartig“, versicherte ich ihr.
„Kinkin“, sagte sie zufrieden.
Ich weiß nicht, wie oft Fiddleburys Kopf und Schulter auf dem Weg über die enge Kellertreppe noch auf ihre Härte überprüft wurden. Nach dem dritten Schlag hörte ich auf zu zählen. Jedenfalls blieb alle drei bis vier Stufen ein blutiger Abdruck an der Wand zurück. Kurz überlegte ich, ob ich wirklich bei meinem Plan, Fiddlebury in der Druckkammer des Essenz-Aspirators einzusperren, bleiben wollte. Die Zugangsluke war nicht besonders groß und Kinkin würde ihre Last kaum ohne weitere Blessuren dort hineinbekommen. Doch dann war mir meine eigene Sicherheit wichtiger. Die Druckkammer war der einzige wirklich ausbruchssichere Ort im ganzen Haus. Ich wusste nicht, wo sich die Schlüssel für die Abstellräume im Keller befanden. Und in jedem anderen Zimmer hätte er aus dem Fenster klettern und erneut zur Gefahr werden können.
„Leg ihn bitte dort hinein, Kinkin.“
„Kinkin“, sagte sie eifrig und schritt zur Kammer hinüber. Ich wollte dabei lieber nicht zuschauen und startete stattdessen die dampfgetriebene Luftversorgung der Kammer. Doch trotz der lärmenden Pumpe konnte ich Kinkins Bemühungen auch akustisch noch gut nachverfolgen. Die hässlichen Geräusche ließen keinen Zweifel daran, dass sich meine Komplizin bei ihrer Aufgabe nicht geschickter als bisher anstellte.
„Kinkin!“, verkündete sie nach getaner Arbeit stolz. Tatsächlich hatte sie Fiddlebury überraschend manierlich in die enge Kammer gefaltet.
„Großartig gemacht, Kinkin. Jetzt geh´ bitte nach oben und warte dort auf mich, ja?“ Während sie den Tatort verließ warf ich mit gemischten Gefühlen noch einen Blick auf meinen Widersacher. Er sah schlimm aus. Zerkratzt, verbeult, unter Drogen gesetzt … doch ich konnte kein Mitleid für ihn empfinden. Trotzdem gab ich meinem Herzen einen Stoß. Mit mir selbst hadernd ging ich noch einmal nach oben, um Verbandszeug zu holen. Auch wenn er es nicht verdient hatte, bandagierte ich ihm leise schimpfend den Kopf.
Dann jedoch verriegelte ich die Luke und ging wieder nach oben. Nachdem der Zorn abgeklungen war, wurde ich so müde, dass ich beinahe im Stehen eingeschlafen wäre. Erschöpft legte ich mich in Rachels Bett und war sofort eingeschlafen.
Am nächsten Morgen erwachte ich so ausgeruht wie jemand, der den Schlaf des Gerechten geschlafen hatte. Während ich mir meinen Tee aufgoss, trug ich aus vollen Lungen ein paar Arien aus La Bohème vor. Dazu sollte ich vielleicht sagen, dass ich über eine ausgezeichnete Singstimme verfüge. Nach dem Schlussakkord wurde ich von Kinkin mit Ovationen überschüttet und verbeugte mich huldvoll.
Erst beim Frühstück dachte ich wieder darüber nach, was wohl mit Julie geschehen war. Hatte sie Charles um Hilfe gebeten? Nein, der wäre dann bestimmt schon hier aufgetaucht. Hatte sie sich ernsthaft verletzt, als Fiddlebury sie die Eingangstreppe hinunterstieß? Nein, dann wäre bestimmt die Polizei hier gewesen. Leider hatte ich im Augenblick auch keine Möglichkeit, Nachforschungen über Julies Verbleib anzustellen.
Aber etwas Anderes konnte ich erledigen. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging ich mit Kinkin
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