SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
wieder, als ihr Vater sie plötzlich von hinten ansprach.
„Julie, Liebes! Was ist mit dir?“
Geistesgegenwärtig versteckte Julie mich unter ihrem Mantel. Es war ein wunderbarer weicher, wohlduftender Ort.
„Charles! Ich kann Charles nicht finden“, schluchzte sie herzzerreißend.
„Mister Eagleton?“, fragte Blackwell verwirrt. „Warum sollte Mister Eagleton hier sein?“
Doch ehe er die Frage ausgesprochen hatte, drehte sie sich zu ihm um. „Oh Gott, Papa! Was ist denn mit dir passiert?“
In der Tat war die Frage wohl berechtigt. Mister Blackwells ansonsten immer tadellose Garderobe war sichtlich in Unordnung geraten.
„Ich weiß auch nicht, Liebes. Mister Fiddlebury muss vollkommen den Verstand verloren haben. Er hat mir vier Knöpfe von der Weste gerissen. Und dann hat er sie gierig in den Mund gesteckt, als hätte er monatelang nichts gegessen.“
„Ich habe dir doch erzählt, dass er völlig den Verstand verloren haben muss“, erinnerte Julie.
„Ja, aber das …“ Blackwell ruderte nach Worten suchend mit den Armen in der Luft. „Der Mann sieht ja wie ein Toter aus! Ein Toter, der mit einem Löwen gekämpft, sich in die Luft gesprengt und angezündet hat. Wir müssen sofort einen Arzt rufen.“
„Geschieht ihm recht“, sagte Julie unversöhnlich und tätschelte mich unauffällig. Sie schien sehr stolz auf mich zu sein.
„Aber Julie! Wie kannst du so etwas sagen? Der Mann ist ein Mensch und braucht Hilfe!“
„Dieser Mensch hat mich verprügelt, und als ich mich nicht abwimmeln ließ, auch noch wegen Prostitution angezeigt!“, fauchte Julie. „Seinetwegen habe ich eine Nacht wie eine Kriminelle im Gefängnis gesessen!“
„Um das zu klären, sind wir ja hier …“
„Um das zu klären ?“ Deutlich konnte ich fühlen, wie ihr Herz zu einem wahren Trommelwirbel ansetzte. Es gab einfach keine temperamentvolleres Wesen als meinen Kobold. „Dieser Mensch verprügelt deine Tochter und lässt sie als Hure einsperren und du willst etwas klären ? Wie kannst du dich noch im Spiegel anschauen, wenn du ihm nicht wenigstens die Nase brichst?“
„Nun, immerhin hat die Polizei dich halbnackt …“, wagte Blackwell einzuwenden. Allerdings klang er schon recht kleinlaut.
„ Halbnackt? Ich war barfuß und mein Kleid war zerrissen, weil ich verprügelt wurde! Zerfetzte Kleider und ein von Ohrfeigen angeschwollenes Gesicht hätten einen richtigen Vater eher darüber nachdenken lassen, ob man seine Tochter vergewaltigt hatte!“
Das saß.
„Was … aber … er hat doch nicht …?“, stammelte ihr Vater erschreckt.
„Kinkin!“ Das Auftreten meiner Komplizin gab dem Gespräch erfreulicherweise eine neue Richtung. In ihrer marionettenhaften Art hob sie den Arm und begann ruckartig zu winken.
„Mein Gott“, entfuhr es Blackwell.
„Hallo Kinkin“, begrüßte Julie das derangierte Dienstmädchen nach einer Schrecksekunde. „Du kannst uns wohl auch nicht sagen, was passiert ist?“
„Kinkin.“
Durch Julies Halstuch konnte ich sehen, wie Kinkin traurig an sich herabsah und auf die mittlerweile hart gewordenen Silbertropfen zeigte.
„Eines seiner Experimente muss furchtbar schief gegangen sein“, vermutete ihr Vater. „Wir müssen sofort einen Arzt verständigen.“
„Einen Arzt?“ Gemeinsam mit Charles schien Rachel spontan aus dem Boden gewachsen zu sein. Die offenstehende Tür und die Worte der unverhofften Besucher hatten die beiden offenbar beunruhigt. Kinkins Anblick tat ein Übriges. „Mein Gott“, rief Rachel aus. „Was ist hier passiert?“
Statt zu antworten, blieb Julie perfekt in ihrer Rolle: „Oh, Charles!“, schluchzte sie. Mit wehenden Kleidern warf sie sich in seine Arme und stimmte erneut ihr herzzerreißendes Schluchzen an. Nur ich wusste, dass die echte Version dieses Geräuschs völlig anders klang. Viel bekam ich von ihrer schauspielerischen Darbietung allerdings nicht mit, weil ich durch die Umarmung an den wundervollsten Busen dieses Universums gedrückt wurde. Eingeklemmt zwischen den Körpern der wichtigsten Menschen in meinem Leben kam der Rest der Welt nur noch gedämpft an meine Ohren. Allerdings merkte ich, dass sie eilig in Charles’ Ohr flüsterte.
„… mit meiner Verlobten allein sprechen, um zu erfahren, was zwischen ihr und meinem Kollegen vorgefallen ist.“ Charles’ Worte waren das erste, was wieder an meine Ohren drang, als sich die beiden wieder voneinander lösten. Charles’ Arm blieb jedoch demonstrativ
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