Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Angewohnheiten, und auch wenn er sich beizeiten eher wie ein Sergeant benahm, so wusste Nate, dass sein Offizier bei der Parade des Bataillons sauber und gepflegt auszusehen hatte. Wieder spuckte er auf sein Tuch und rieb die Politur mit gleichmäßig kreisenden Bewegungen tief in das Leder ein, bis es glänzte wie eine Glasoberfläche. Stolz betrachtete der junge Bursche sein Werk, als Henry Hansam am Zelteingang erschien, gefolgt von einem Mann, den Nate noch nie gesehen hatte. Er schaute auf den Diener herab.
»Bei der Arbeit, Nate? Sieht gut aus. Aber wenn ich du wäre, würde ich mir nicht so viel Mühe geben. Du weißt doch, dass Mr. Steel die Stiefel im nächsten Moment wieder schmutzig macht, obwohl du gerade erst fertig geworden bist.«
Dann bückte er sich und schaute ins Zeltinnere. »Jack, wir haben einen neuen Reisegefährten. Erlaube mir, dir Thomas Williams vorstellen zu dürfen, eben aus England eingetroffen, um sich unserem Regiment anzuschließen. Besser gesagt unserer Kompanie. Hier kommt unser neuer Fähnrich.«
Mit einer bühnenreifen Geste trat Hansam in das kleine Zelt und hielt den Eingang auf, sodass der Neuankömmling ebenfalls eintreten konnte. Williams war ein junger Offizier von vielleicht sechzehn Jahren, der – womöglich nicht zuletzt aufgrund der »Hungerpläne« in den besten privaten Schulen Englands – sehr drahtig wirkte und dessen frische Gesichtsfarbe Steel an reife Erdbeeren erinnerte. Noch auffälliger an der äußeren Erscheinung des jungen Mannes war jedoch der intensive Farbton des neuen scharlachroten Uniformrocks; bei den meisten anderen Offizieren war die Farbe der Uniformen im Verlauf der Feldzüge verblasst und wirkte unter Schichten aus Staub oder Schmutz höchstens noch wie ein tristes Ziegelsteinrot. Das Kreuzbandelier des Fähnrichs erstrahlte in tadellosem Weiß, Degengriff und Scheide schienen eben erst aus der Gießerei zu kommen. Das Haar hatte Williams unter den vollen kastanienbraunen Locken einer neuen, langen Perücke verborgen, die annähernd so viel gekostet haben mochte wie der jährliche Sold eines Sergeant. Kurzum, nach Steels Dafürhalten war dieser Junge das perfekte Kanonenfutter.
Dennoch erhob Steel sich mit einem Lächeln auf den Lippen, um den jungen Mann zu begrüßen. »Mr. Williams, oder darf ich Thomas sagen? Vielleicht bevorzugt Ihr auch Tom? Ihr solltet vorab wissen, Tom, dass es hier bei uns in der Kompanie nicht so förmlich zugeht.«
»Danke, Sir. Meine Eltern nennen mich Thomas, aber Ihr könnt mich ruhig Tom nennen, wenn Ihr mögt, Sir.«
Der Junge war von dem ungewöhnlichen Interesse des Offiziers gerührt und auch erstaunt. Thomas Williams war der jüngere Sohn eines begüterten Farmers aus Wiltshire. Da schon bald abzusehen gewesen war, dass der Junge sich weder für ein Studium der klassischen Sprachen noch für den geistlichen Stand eignete – er stotterte und errötete, wenn er im Zentrum der Aufmerksamkeit stand –, hatte sein Vater ihm ein Offizierspatent in Farquharsons Regiment gekauft. In ein paar Jahren vielleicht, wenn Thomas sich gut machte, würde der alte Mr. Williams noch einmal dreihundert Pfund investieren, um seinem Sohn in den Rang eines Lieutenants zu verhelfen. Gut möglich, dass die Armee einen Mann aus ihm machte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hingegen fand Tom sich auf der untersten Sprosse der Hierarchie wieder, was seine neuen Kameraden ihn bereits hatten spüren lassen. Doch hier, in Gegenwart dieses wachen, auffallend gut aussehenden Lieutenants der Grenadiere, spürte Thomas Williams, dass er einen Seelenverwandten gefunden hatte, zumindest einen Schutzengel. Er merkte, dass Steel ihn aufmerksam musterte.
»Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?«
Steel blickte ihm unverwandt in die Augen. Betrachtete die lange, leicht gebogene Nase und das wenig ausgeprägte Kinn des Jungen und versuchte, ihn einzuordnen. Schließlich dämmerte es ihm. »Natürlich. Jetzt weiß ich’s. Ich kenne Euch. Ihr gehörtet zu Jennings, in der Schänke.«
Der Junge lief rot an und blickte auf seine polierten Schuhe. Zunächst sagte er nichts und zupfte nervös am Griff seines Degens herum, bis er es sich anders überlegte. »Ich gehörte nicht zu Jennings, um genau zu sein, Sir.«
Steel lächelte. Vielleicht hatte er den Jungen unterschätzt, der sich in einer scheinbar aussichtslosen Situation zu verteidigen wusste.
»Ah, gut. Und ich nehme an, Tom, dass Ihr nicht viel auf seine arrogante Prahlerei gegeben
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