Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
habt, selbst wenn Ihr nicht zu ihm gehörtet .«
Williams schaute auf, unsicher, wie er die Worte deuten sollte. War dies wieder ein Beispiel für die Zoten, die in der Offiziersmesse gerissen wurden und an die er sich schnell hatte gewöhnen müssen? Wollten sie ihn nur wieder als Narren dastehen lassen, wie es in Eton so oft der Fall gewesen war? Erst kürzlich, in der ersten Woche in der Armee, hatte ein Sergeant-Major ihn in England während einer Parade absichtlich aus dem Schritt gebracht.
»Ich … Ich verstehe nicht ganz, Sir. Ich dachte, dass Major Jennings als Held galt. Er sagte …«
Doch Steel unterbrach ihn sofort. »Ihr werdet feststellen, dass Major Jennings viel redet, wenn der Tag lang ist, Tom. Einiges mag der Wahrheit entsprechen. Also, wenn Ihr glaubt, dass er der Kriegsheld ist, für den Ihr ihn halten sollt, dann müsst Ihr wissen, dass unser guter Major genau das ist: Er ist ein Held, wie wir ihn von der Bühne kennen, ins Leben gerufen von dem großen Colley Cibber oder Sir John Vanbrugh. Ein perfekter Held wie Ihr oder ich, wenn wir jeden Abend für zwei Shilling auf den Brettern der Theater in Drury Lane oder Dorset Fields zu sehen wären.«
Williams zog die Stirn kraus.
Hansam gluckste. »Komm, Jack, hör auf, den Jungen zu necken.«
Steel nickte. »Ich schweife ab. Held hin oder her, Tom, Major Jennings ist trotzdem ein Soldat, und er wird mit uns marschieren und mit uns unter der Fahne dienen und mit uns auf dem Schlachtfeld stehen und sein Bestes geben im Kampf gegen die Franzosen, genau wie wir.«
Bei dem Wort Schlachtfeld war der Junge ganz blass geworden und setzte ein scheues Lächeln auf. Steel spürte die Verunsicherung seines Fähnrichs und versuchte die Situation zu entschärfen, indem er einen unsichtbaren Krümel von seiner Jacke fegte.
»Das Soldatentum hat mehr zu bieten als Schlachten, wie, Henry? Wie denkt Ihr über die Armee, Tom?«
»Ich denke, dass es ein großartiges Leben sein muss, Sir. Ich glaube, dass … dass es mir gefallen wird, Soldat zu sein.«
Beide Lieutenants mussten lachen. Steel klopfte Williams auf die Schulter.
»Und ich denke, dass ich Euch diese Frage unmittelbar nach Eurer ersten Schlacht noch einmal stellen werde. Und dann schauen wir, wie Eure Antwort lautet, Tom, wie? Aber kommt, die Zeit drängt. Erlaubt uns, Euch eine Tasse Tee zu servieren, oder auch etwas Stärkeres, wenn Ihr möchtet. Gehen wir in die vorläufige Offiziersmesse. Nate, meine Stiefel.«
Nachdem Steel seine polierten Stiefel angezogen und seine Uniform gerichtet hatte, verließen die drei Männer das Zelt. Vor ihnen, im blassen Sonnenlicht, erstreckten sich zahllose Reihen Zelte: Die gesamte britische Armee lebte vorübergehend unter Leinwand. Steel hatte oft den Eindruck, man habe eine ganze englische Kleinstadt in das Herz von Bayern verpflanzt. In den Gassen zwischen den Zeltreihen gingen Offiziere auf und ab, in Gespräche vertieft, während Dutzende Kinder – Sprösslinge des Trossgefolges – herumliefen und spielten, manchmal verzweifelt gesucht von ihren Müttern. Manche Frauen stillten ihre Kleinen im Sitzen oder waren damit beschäftigt, die verlauste Wäsche der Ehemänner und der Familien zu waschen. Wieder andere bereiteten verdächtig aussehende Rationen in großen eisernen Töpfen zu. Soldaten saßen neben ihren Zelten und stopften ihre Uniformen und kümmerten sich um kleinere Wunden und Blasen an den Füßen, die sich auf den langen Märschen nicht verhindern ließen. Händler und Handwerker blieben in kleineren Gruppen unter sich vor den Zelten und besserten die Ausrüstung aus, die erforderlich war, um gut dreißigtausend Mann kampfbereit zu halten.
Und in diesen Anblick von Fleiß und Müßiggang mischten sich die unverfälschten Geräusche und Gerüche des Lagerlebens. Das stakkatohafte Klacken von Metall auf Metall, das Wiehern der Pferde und das Kreischen der Kinder überlagerten die Stimmen und die Musik, und über alles legte sich das unangenehme Gemisch aus Essensgerüchen, Körperausdünstungen, Pferdedung und Unrat. Steel verfolgte, wie Karren, angefüllt mit Proviant, an den Zeltreihen vorbeirumpelten, während andere Fuhrwerke, die bereitstanden für die Verwundeten der kommenden Gefechte, notdürftig von den Marketendern von dem Blut der jüngsten Opfer gesäubert wurden.
Das Zeltlager unterschied sich an diesem Morgen kaum von anderen Heerlagern in den südlichen deutschen Landen und jenseits der französischen Grenze. Ob Briten,
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