Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
täglichen Übung. Tatsächlich war gerade dieser Drill das Geheimnis der Feuerkraft, die ein perfekt geordneter Zug in der Schlacht erreichen konnte: Die Franzosen hatten die verheerende Wirkung der präzisen Salven bei dem jüngsten Gefecht zu spüren bekommen. Aber Steel war dennoch der Meinung, dass selbst in dem hitzigsten Gefecht ein Moment kam, in dem jeder einzelne Soldat seinen eigenen Kopf benutzen durfte. Denn erst dann sah man, aus welchem Holz die britischen Infanteristen geschnitzt waren. Gewiss, die Preußen waren keine Feiglinge. Aber da sie nur von ihrer blinden Routine vorangetrieben wurden, konnten sie es nicht mit den individuellen Fertigkeiten und der Wendigkeit eines britischen Grenadiers aufnehmen.
Allerdings wusste Steel, dass es Zeiten gab, in denen strikte Disziplin absoluten Vorrang hatte. Und jetzt, wie er sich in Erinnerung rief, war so ein Moment. Steel hörte die Kirchturmuhr im nahen Dorf acht Uhr schlagen. Für gewöhnlich war dies für seine Kompanie und für das ganze Bataillon die Zeit, den täglichen Pflichten nachzukommen. Bajonette wurden beim Hufschmied geschärft, die Steinschlösser der hochwertigen neuen Musketen mussten geölt werden, das Schuhwerk wurde auf Abnutzung hin überprüft.
Aber er wusste, dass keiner seiner Männer – auch keiner aus Sir James Farquharsons Regiment – bei den Rotröcken vor den Zeltreihen gesessen hatte. Denn an diesem Morgen hatten sich Farquharsons Soldaten auf dem Paradeplatz einzufinden. Nur das Gefolge des Trosses und die Kinder waren für die anstehende Zeremonie entschuldigt. Es war eine Art der Unterhaltung, eine Ablenkung vom täglichen Trott. Ein Appell an die Moral der Soldaten und eine Maßnahme, um die Positionen der Offiziere zu stärken. An diesem Tag sollte nämlich eine öffentliche Auspeitschung stattfinden.
Steel wandte sich dem Fähnrich zu. »Nun, Tom, da habt Ihr Euch ja einen netten Tag für Eure Ankunft ausgesucht. Wir haben ein besonderes Spektakel für Euch. Obwohl ich nicht sicher bin, wie Ihr es aufnehmen werdet. Aber kommt, wir stellen Euch erst noch die anderen Offiziere vor.«
Sie traten zu der Gruppe Captains und Lieutenants, die sich vor dem Messezelt unterhielten, das zusammen mit den Verwaltungszelten des Regiments das notdürftige Hauptquartier bildete. Steel machte den jungen Mann mit den übrigen Offizieren bekannt.
»Gentlemen, darf ich Euch Mr. Williams vorstellen. Fähnrich Tom Williams. Kürzlich eingetroffen bei den Grenadieren. Tom, ich möchte Euch mit Monsieur le Lieutenant Daniel Laurent bekannt machen, unser Hugenottenflüchtling, der lieber für uns und seinen Gott kämpft als für seine Landsleute und deren Gott.«
Ein großer Franzose verbeugte sich und war sich einmal mehr bewusst, wie seltsam seine Anwesenheit auf einen neu eingetroffenen Offizier wirken musste.
» A votre service , Monsieur Williams.«
»Ich bin Euch sehr verbunden, Monsieur Laurent.«
Steel lächelte und fuhr fort. »Beachtet, Tom, wie Monsieur Laurent die beneidenswerten Manieren seines Landes beibehält.« Laurent lachte und zog eine Braue hoch.
»Und dies ist Captain Melville, aus Lord Orkneys Foot Regiment. Und dieser Gentleman dort mit dem permanenten Grinsen ist Lieutenant McInnery. Für seine Freunde Seamus, und er wird auch bei Euch den Eindruck zu erwecken suchen, viele Freunde zu haben.«
Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern und setzte nach: »Die Wahrheit ist, der arme Bursche hat keinen einzigen Freund.«
McInnery lachte und verbeugte sich in Williams’ Richtung. Steel stellte sich zwischen die beiden.
»Oh, und haltet Euch von ihm fern, Thomas. Er bringt Euch nur auf dumme Gedanken. Binnen einer Woche werdet Ihr ohne einen Penny dastehen und Euch die Syphilis bei einer billigen Hure holen.«
McInnery boxte Steel im Spaß gegen die Schulter. »Jack, was soll der arme Junge denn von uns denken? Ehrlich, jetzt gehst du zu weit. Ich hätte große Lust, dich herauszufordern.«
Steel fixierte den Iren mit hartem Blick und lächelte. »Aber vielleicht nicht heute, Seamus, oder?«
Da erregte die Ankunft des diensthabenden Offiziers Charles Frampton Steels Aufmerksamkeit. Der Mann war ein Gefährte von Jennings. Ein plumper Mann aus Kent, der nie ein Wort zu viel verlor und scheinbar unendlich viel Wein trinken konnte, ohne je den Überblick zu verlieren.
»Gentlemen, ich denke, wir sollten die Angelegenheit nun hinter uns bringen«, merkte er an, »damit wir nicht noch mittags hier herumstehen,
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