Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
marschiert und haben nicht die Mosel und den Rhein überquert, um uns jetzt die Lügenmärchen dieses Prahlhans anzuhören.«
»Jack. Wenn ich dir einen Rat geben darf, lass es bleiben. Lass ihm doch diesen Moment. Die Wahrheit kommt ohnehin ans Licht, sobald wir den Feind erneut stellen. Und das wird nicht mehr lange dauern. Jennings ist doch harmlos. Ich wette, beim nächsten Kampf kriegt er eine französische Kugel in sein Spatzenhirn. Und wo bleibt jetzt der verdammte Wein, Madame. Ici. Hier. Oh, bitte. Glaubst du, sie hat mich gesehen? Ich sag’s dir, Jack, die einzigen unglücklichen Leute in dieser Stadt sind die Marketender der Regimenter. Und ich kann nicht sagen, dass mich das stört. Nimm doch noch ein Glas Wein.«
»Bei jeder Gelegenheit ziehen sie dir das Geld aus der Tasche«, fuhr Hansam fort, »und denken sich neue Preise aus, sodass du doppelt so viel berappen musst wie daheim bei White’s. Und wenn wir die Möglichkeit haben, unseren Grog bei den Einheimischen zu bezahlen, ja, dann rennen die Marketender zum Generalquartiermeister und beschweren sich, es sei nicht fair und gegen die Abmachung. Hörst du mir überhaupt zu?«
Doch Steel hatte seinem Freund kein Gehör mehr geschenkt. Er lauschte Jennings, der seine Tapferkeit am Schellenberg inzwischen mit noch wortgewandteren Ausschmückungen verbrämte.
Zwei der jungen Offiziere sprangen in diesem Moment vom Tisch auf und stritten, wer berechtigt sei, dem Helden noch eine Flasche zu holen.
»Nun, Gentlemen, das war wahrlich ein Kampf. Und jetzt wette ich, dass ihr alle kurz vor der Beförderung steht. Furchtbare Verluste waren das. Schrecklich. So viele tapfere Offiziere. Aber wir haben’s geschafft. Und mit was für einer Armee!« Er wandte sich einem rotgesichtigen Lieutenant zu.
»Wie, Fortescue? Was haltet Ihr von unseren Alliierten? Preußen, Holland, Österreich. Wir führen einen Krieg der Allianzen. Auf den Verteidigungsanlagen habe ich allerdings kaum welche aus den anderen Kompanien gesehen …«
Während Jennings mit dröhnender Stimme fortfuhr, wurde Steel nachdenklich. Bei diesem Sturmangriff war es eine Leistung gewesen, das Heer zusammenzuhalten. Ihm war zu Ohren gekommen, dass es unter den Kommandeuren tatsächlich zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, ob der Angriff eingeleitet werde sollte oder nicht. Und er wusste, dass es allein Marlboroughs Verdienst war, die Österreicher und Holländer überredet zu haben, nach Bayern zu marschieren. Insbesondere die Holländer waren dafür bekannt, nie die eigene Scholle zu verlassen. Daher grenzte es an ein Wunder, was Marlborough geleistet hatte.
Über den allgemeinen Lärmpegel legte sich erneut Jennings’ Stimme. »… wenn sie überhaupt was taugen. Die Holländer waren eigentlich nie gute Soldaten. Und was die Preußen betrifft … Nein, da ziehe ich jederzeit einen Engländer vor …«
Steel fragte sich, ob Jennings vergessen hatte, dass er selbst in einem schottischen Regiment diente und dass in Marlboroughs Armee inzwischen mehr Iren und Schotten als Engländer kämpften. Bei diesem Gedanken wuchs sein Zorn weiter. Wenn es etwas gab, das Steels Wut heraufbeschwor, dann waren es Offiziere, die mit vorgeblicher Tapferkeit prahlten. Schon lange hatte er Jennings in Verdacht, ein Mann solchen Schlages zu sein. Als Sohn des Schwagers von Sir James Farquharson war Major Jennings de facto zweiter Kommandeur des Regiments, obwohl er erst vor Kurzem aus London gekommen war und noch keine Zeit gehabt hatte, sich richtig an das Leben im Heerlager zu gewöhnen. Steel wusste, dass Jennings sich den Zugang zum Regiment erkauft hatte. Wahrscheinlich mit einer Summe, die wesentlich höher war als die erforderlichen tausend Pfund, mit denen man ein Offizierspatent vom Rang eines Captains bekam. Bestimmt glaubte Jennings, er habe sich mit dieser Summe nicht nur ein Regiment gesichert, sondern obendrein gleich den Ruhm.
Wieder tönte Jennings’ Stimme durch die Schankstube. »Da war ich also. Ich stand auf dem Wehrgang der Verteidigungsanlage und wandte mich an meine Männer. ›Männer‹, rief ich, ›Männer, folgt mir, wir werden ein neues Kapitel in Britanniens Geschichte schreiben, wie die Welt es noch nicht gesehen hat. Ich habe vor, diesen Ort einzunehmen, und ihr werdet mich begleiten.‹ Und schon stürzten wir uns mit wildem Hurra auf den Feind. Ich kann euch sagen, dass meine Klinge sich rot färbte und erst Ruhe gab, als alles vorbei war. Aber viele waren tot, sehr
Weitere Kostenlose Bücher