Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Jennings schon längere Zeit auf eine Gelegenheit gewartet hatte, Steel zu provozieren. Doch alle wunderten sich, nicht zuletzt Jennings, über diesen eigenartigen, charismatischen jungen Mann, der ein prestigeträchtiges Patent bei den Foot Guards – eine Stellung, für die manch anderer Offizier alles gegeben hätte – eingetauscht hatte gegen einen Posten als Lieutenant in Farquharsons unerprobtem Bataillon von Außenseitern.
Jennings hatte von Anfang an spekuliert, wie er von der Verbindung zum Regiment seines Onkels Kapital schlagen könnte. Er wusste, dass man mit den Rechnungsbüchern des Quartiermeisters Geld machen konnte. Vorräte gingen verloren – natürlicher Schwund. Gute Kleidung, Munition und Lebensmittel erzielten einen ansehnlichen Preis auf dem Markt, und im Regiment gab es viele, die für ein paar Shilling bereit waren, Jennings zu helfen, auch auf die Gefahr hin, die Peitsche zu spüren zu bekommen. Und Jennings war zuversichtlich, dass er sich aus allem heraushalten könnte, wie er es erst gestern wieder unter Beweis gestellt hatte. Aber Leute wie Steel schienen immer darauf aus zu sein, seine Pläne zu durchkreuzen. Steel musste verschwinden, und hier ergab sich nun die Gelegenheit für Jennings, wenn auch früher, als er erwartet hatte. Der Major schaute sich in der Schankstube um und rief einen rot gewandeten Offizier zu sich.
»Charles, wenn Ihr einen Augenblick Zeit hättet.«
Bei dem großen, schlanken Mann mit den ansprechenden Zügen und dem nervösen Zucken in der linken Gesichtshälfte handelte es sich, wie Steel wusste, um Captain Charles Frampton von der zweiten Kompanie des Regiments. Er galt als Jennings’ Verbündeter. Nun löste er sich aus der Gruppe seiner Kameraden und trat zu dem rotwangigen Major.
Während die beiden Männer miteinander tuschelten, nahm Hansam Steel beiseite. »Jack, das kannst du nicht machen. Nicht hier. Nicht in der Öffentlichkeit. Wenn du nicht anders kannst, dann fordere ihn offiziell heraus. Macht die Sache unter Euch aus, irgendwo. Natürlich stehe ich dir als Sekundant zur Verfügung. Aber nicht hier. Du bringst dich in große Schwierigkeiten.«
Steel riss sich von Hansams Hand los. »Dafür ist es jetzt zu spät.«
Jennings hatte seinen Uniformrock abgelegt und reichte ihn seinem Vertrauten. »Mr. Steel, Ihr kennt Charles Frampton? Habt Ihr auch bereits einen Sekundanten?«
Steel nickte dem Captain der Förmlichkeit halber zu.
Hansam trat vor.
»Ah, Lieutenant Hansam. Wir fühlen uns geehrt.«
Frampton flüsterte Jennings etwas ins Ohr. »Gib Acht, Aubrey, ich habe gehört, dass er ein verdammt guter Soldat ist.«
Jennings verspannte sich, schenkte Steel ein kaltes Lächeln und wandte sich ebenfalls im Flüsterton an seinen Kameraden. »Mein lieber Charles, wenn man ein paar Scharmützel im Nordischen Krieg mitgemacht hat, heißt das noch lange nicht, dass man gleich ein Held ist.«
»Aber die anderen erzählen sich, dass Steel in der Schlacht von Narva vierzig Russen ins Jenseits befördert hat. Und nach Riga hat der König von Schweden ihm eine goldene Medaille überreicht.«
»Narva, Riga … Was für ein Unfug. Diese Namen sind doch bedeutungslos. Sind wir nicht mit den Dänen verbündet? Mit den Feinden der Schweden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mr. Steel groß prahlen wird mit seiner Verbindung zum schwedischen Thron. Was heißt es schon, ein paar russische Wilde zu töten? Das war doch kein richtiger Krieg. Weit entfernt von den Schlachten, die Gentlemen führen.«
Er zog ein weißes Spitzentuch aus dem Ärmel hervor und tupfte sich damit sacht die Nase ab. »Und genau das werde ich gleich demonstrieren.«
Jennings trat tiefer in den Raum.
»Überlegt es Euch, Steel. Wollt Ihr es wirklich so enden lassen? Denkt doch nach. Möchtet Ihr in einem Wirtshausstreit Euer Leben verlieren? Ist Euch eigentlich bewusst, dass ich die Fechtkunst in London erlernt habe, bei keinem Geringeren als dem ehrenwerten Monsieur Besson? Vielleicht habt Ihr ja schon von ihm gehört. Er hat den arme blanche an den meisten Höfen Europas gelehrt.«
Steel ging darauf nicht ein. Stattdessen zog er seinen Degen und nahm die en garde -Position ein.
Jennings tat es ihm gleich. Als Hansam an Steels Seite eilte, ging Jennings’ Sekundant auf ihn zu. Die beiden Männer schüttelten einander die Hand und zogen sich ein paar Schritte vom Geschehen zurück.
In der Schänke herrschte gespannte Stille. Man hatte Tische und Stühle zur Seite
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