Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
den feindlichen Linien herauskommen würden. Viel schlimmer war indes noch, dass Steel sich einem französischen Wachtposten gegenübersah, der ihn mit schreckgeweiteten Augen anstarrte. Einen Moment lang standen beide Männer stocksteif da, dann griffen sie zu den Waffen.
Der Franzose fingerte am Schloss seiner Muskete herum. Steel, der den Degen im Graben wieder in die Scheide geschoben hatte, zog an dem breiten Schulterriemen und umfasste den Schaft der kurzläufigen Muskete, die jeder Offizier der Grenadiere bei sich trug.
Die Waffe unterschied sich jedoch von der Muskete des Franzosen, denn ursprünglich war es eine Jagdflinte gewesen, deren Erfinder es gelungen war, eine so leichte Waffe zu konstruieren, dass man sie den ganzen Tag bei der Jagd tragen konnte. Sie konnte eine Schrotladung, aber auch eine einzelne Kugel abfeuern und war ganz auf Steel zugeschnitten. So kam es, dass die Waffe sich stets sofort an seine Wange schmiegte, als wäre sie sein verlängerter Arm – ob er nun einen Franzosen oder Rebhühner auf der Jagd vor dem Lauf hatte. Die Waffe anzulegen war eine Sache von Sekunden. Und Steel wusste, dass sie geladen war.
Er fühlte seinen Herzschlag unter dem Rippenbogen, als er den Hahn mit dem rechten Daumen spannte. Fühlte den kalten Lauf in der linken Hand und presste die Wange dicht an den Schaft. Im selben Moment legte auch der Franzose an. Steel hörte den Knall der gegnerischen Muskete, sah das Aufblitzen an der Mündung. Er spürte, wie die Kugel an seiner Wange vorbeisirrte, und drückte seinerseits ab – der Rückstoß rammte die Waffe gegen Steels Schulter. Der Franzose sank tot zusammen. Die Kugel hatte ihn mitten in die Stirn getroffen.
Doch die beiden Schüsse hatten die anderen Wachen alarmiert. Jetzt kam Bewegung in die Verteidigungsanlagen gegenüber von Steel. Männer in weißen Uniformjacken eilten herbei. Verblüfft blickten sie zuerst auf ihren gefallenen Kameraden, dann auf den offenbar lebensmüden britischen Offizier, der ganz allein auf der anderen Seite der Schanzkörbe stand. Steel hingegen hängte sich die Waffe gleichmütig über die Schulter, zog seinen Degen und wandte sich halb zu den Rotröcken unten im Graben um.
»Grenadiere. Zu mir. Tötet diese Bastarde!«
Er wandte sich wieder den Franzosen zu, hob seinen Degen über den Kopf und richtete die Spitze auf die Gegner.
»Farquharsons Foot Guards, mir nach. Für Marlborough und Queen Anne.«
Plötzlich war Slaughter an seiner Seite. Auch ein Corporal schloss sich ihnen an, gefolgt von den anderen Männern. Augenblicke später stürmten sie alle mit Schlachtrufen auf den Lippen zu den französischen Verteidigungsanlagen. Aus den Augenwinkeln gewahrte Steel, dass Hansam in diesem Moment mit der Hälfte seiner Kompanie losstürmte. Weiter hinter ihm, auf dem linken Flügel der Angreifer, verriet die verharrende Masse der Rotröcke, dass der Hauptangriff offenbar ins Stocken geraten war. Die weiß uniformierten Infanteristen, völlig überrascht von der Flut von Rotröcken, die aus dem Boden geschossen kamen, luden inzwischen die Musketen. Ein paar Männer warfen ihre Waffen fort und suchten das Weite. Ein feindlicher Offizier schwenkte seinen Säbel und deutete in Richtung der französischen Grenadiere.
Nur noch zehn Meter, ging es Steel durch den Kopf. Fünf Meter. Als die Briten nur noch zwei Meter entfernt waren, eröffneten die Franzosen ungleichmäßig das Feuer. Drei Grenadiere gingen zu Boden. Die Übrigen drängten weiter vor, erreichten die Erdarbeiten und warfen ihre zischelnden Granaten weit in die Vereidigungsanlagen. Auf den Hagel aus mörderischen Metallsplittern folgten Schreie von Männern, die nicht zu sehen waren. Steel erklomm eine der Gabionen der Schanzkörbe.
»Weiter! Folgt mir! Auf sie!«
Es gelang ihm, die Brustwehr zu überwinden. Ihm folgten Slaughter und ein Dutzend Grenadiere. Blind hieb Steel mit seinem Degen nach unten. Die große Waffe war, abgesehen von der Muskete, der einzige Gegenstand, den er aus dem Haus seines Vaters mitgenommen hatte. Gleich mit dem ersten Streich verstümmelte Steel einen Gegner am Unterarm; der Infanterist sackte mit einem Schrei in den Schlamm.
Zu seiner Linken nahm Steel das Aufblitzen einer Klinge wahr, als ein Franzose versuchte, Steel das Bajonett in die Seite zu rammen. Doch im selben Moment wehrte ein Corporal der Grenadiere diesen Stoß ab und trieb dem Mann das Dillenbajonett tief in den Bauch. Ein anderer Franzose, ein riesiger Pionier,
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