Stefan Bonner und Anne Weiss
Funktionswäsche kauft, die eigentlich nicht mehr kann als andere Wäsche auch.
Das Leben ist ein Trinkspiel. Wie sich die Generation Doof das Einerlei schönsäuft 18:00 Uhr, auf dem Heimweg im Bus.
Wir kommen gerade von der Arbeit. Der Bus in die Kölner
City ist wie üblich um diese Uhrzeit gut gefüllt. Draußen scheint
es Frühling zu werden. Man sieht es an der bunten Kleidung der
Fahrgäste und an den ausschlagenden Bäumen. Trotzdem erfüllt
den Bus kein Frühlingsduft, sondern nur gequirlter Sauerstoff
mief. Irgendwo dröhnt Bassgewummer aus einem Kopfhörer. Der
dumpfe Rhythmus vermischt sich mit dem neuesten Chart-Hit,
den eine junge Dame für alle hörbar mit ihrem Handy-MP3-Player
zum Besten gibt.
Busfahren ist heutzutage anstrengend und bisweilen auch ge-fährlich. Haltestellenszenarios gleichen Nahkampfszenen: Der Bus
kommt ruckelnd zum Stehen. Die Türen öffnen sich. Die Einsteiger drängen rein. Die Aussteiger drängen raus. Keiner gibt klein
bei. Wie sich das Chaos irgendwann auflöst, muss erst noch wissenschaftlich untersucht werden.
Auf die Drängelbank ganz hinten im Bus fläzen sich ein paar junge Leute, die vermutlich gerade erst volljährig geworden sind. Ihr Vorrat an alkoholischen Getränken würde jedem Stadtpenner ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Und so grinst auch eine der Da-men übers ganze Gesicht. »Eh, dasnenntia Voaglühn«, lallt sie, »is-binja songleich voll.«
Die Herren der Flaschen prosten sich derweil anerkennend zu
und tauschen sich über den Stand der Entleerung aus. »Krass, Alda,
dasis jes schon deine fümfte«, meint der eine.
Das Ziel des Spiels ist leicht zu erraten: Die Reisegruppe will
die Kneipen und Clubs der Stadt unsicher machen. Damit es dort
nicht so teuer wird, füllen sie ihren Pegel schon vorab auf. Billiger
knallt besser.
Als wir aussteigen, hat die Truppe ihr Bewusstsein schon beträchtlich erweitert. Die fröhlichen Gesellen verlassen unter Gelächter und Gegröle hinter uns den Bus.
Begegnungen mit alkoholisierten Partysquads kann man wochentags wie wochenends in jeder deutschen Stadt haben. Das vielleicht extremste Beispiel ist wohl die Hamburger Reeperbahn, die sich von der sündigen Amüsiermeile zum Open-Air-In-Club für Jung und Pseudo-Jung gewandelt hat. Jeden Freitag und Samstag über flutet eine Masse von betrunkenen Jugendlichen den Kiez, die als Kundschaft für die professionellen Liebesdamen nicht taugt, son dern nur auf Spaß aus ist. Und der buchstabiert sich für viele wie das Wort Promille. Vor Kurzem hat sich hier ein sechzehnjähriger Berliner mit zweiundfünfzig Gläsern Tequila ins Koma gesüffelt.
Und so erklärt sich auch der geläufigste Name für den hochprozentigen Freizeitsport der Generation Doof: Komasaufen. Das Trendwort für unsere Freunde aus dem Internetzeitalter ist Flatratesaufen. Ob Koma oder Flatrate – wenn jemand an einem einzigen Abend so viel Fusel in sich hineinschüttet, dass dabei eine nette Alkoholvergiftung rausspringt, ist das auf jeden Fall beacht lich … dämlich.
»Wo soll das alles enden?«, fragen Die Ärzte in ihrem Song Junge , dessen Text neben Drogenkonsum auch alle übrigen Vorwürfe enthält, die manche der Generation Doof immer wieder machen. Wo das alles enden soll, kann man sich auch angesichts der jugendlichen Vorglüher im Bus und anderer Totalausfälle fragen. Die Antwort ist für uns Autoren deshalb nicht leicht, weil wir als etwas älterer Teil der Generation Doof früher selbst zu oft und zu tief ins Glas geschaut haben. Damals hieß das zwar noch Kampftrinken, aber Namen sind schließlich Schall und Rauch.
Eine Bekannte namens Sandra hatte sich damals schon einen Namen gemacht, weil sie wiederholt mit zu viel Alkohol im Blut als Gast auf der Ausnüchterungsstation der örtlichen Kliniken gelandet war. Sandra war damals noch eine Ausnahmeerscheinung, und ihre Eltern zerbrachen sich besorgt die Köpfe darüber, was aus ihrem Sonnenschein bloß werden sollte. Das hat die Zeit gezeigt: Sandra hat es im Krankenhaus offensichtlich so gut gefallen, dass sie für immer dableiben wollte. Darum arbeitet sie inzwischen selbst als Ärztin in der Notaufnahme, wo an jedem Wochenende junge Frauen und Männer eingeliefert werden, die den Hals nicht voll genug bekommen. Der Unterschied zu ihren eigenen Vergiftungsübungen ist, dass die Betrunkenen immer jünger zu werden scheinen.
»Zu Karneval gibt es eine Menge Alkoholleichen«, erzählt Sand ra. »Dabei hätten die meisten bloß
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